Trip zur Heilung - Andrea Jungaberle über Psychedelika als neue Therapieform
Psychedelika in der Medizin – Hype oder echte Chance? Im Podcast „heilewelt“ spricht Madeleine Bittner mit Notfallmedizinerin Dr. Andrea Jungaberle über aktuelle Forschung, therapeutische Einsatzmöglichkeiten und die Arbeit der MIND Foundation. Es geht um neue Behandlungswege, die Entstigmatisierung psychischer Erkrankungen und die Vision einer evidenzbasierten, vorurteilsfreien Medizin.
(Intromusik im Hintergrund)
Madeleine: Hi und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von Heilewelt, dem Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Ich bin Madeleine, Ärztin und spreche hier mit den Menschen, die die Medizin nicht nur verbessern möchten, sondern das auch schon tun. In unseren Gesprächen tauchen wir in die Welt medizinischer Vorreiter:innen ein und hören, für welche Visionen sie brennen.
Stellt euch heute mal eine Welt vor, in der psychisch kranken Menschen neben Psychotherapie und den schon bekannten und angewendeten Psychopharmaka auch die psychodelische Therapie zur Verfügung steht. Das ist also eine Therapie mit Substanzen, die Pseudo-Halluzinationen auslösen. Eine Welt, in der für die Zulassung einer Therapie nur noch ihre Wirksamkeit ausschlaggebend ist und gesellschaftliche Vorurteile in den Hintergrund treten.
An dieser Vision und noch ganz viel mehr arbeitet Dr. Andrea Jungaberle. Sie ist Notfallmedizinerin und hat nicht nur an einer richtig großen und kürzlich erst abgeschlossenen Studie zur Wirksamkeit von psychodelischen Substanzen mitgearbeitet, sondern hat auch die MINDFoundation mitgegründet. MINDFoundation ist eine Organisation, die Aufklärungsarbeit zum Thema Psychedelika leistet und berufliche Weiterbildungen in dem Bereich organisiert.
Ich freue mich echt total darüber, dass sie sich heute die Zeit nimmt, mit mir über Psychedelika als neue Therapieform in der Psychiatrie zu sprechen, über den Nutzen und auch welche Zukunft sie für diese schon lange diskutierte und auch längst vorhandene, aber bisher noch kaum Anwendung findende Therapie sieht.
Hallo liebe Andrea, ich begrüße dich ganz herzlich bei unserem Heilewelt-Podcast. Schön, dass du heute mit dabei bist.
Andrea: Ja, danke für die Einladung.
Madeleine: Ich wollte dich einmal zu Beginn fragen, was hast du heute schon erlebt? Wie sieht so ein typischer Montag bei dir aus?
Andrea: Also Montag ist einer meiner beiden Haupttherapie-Tage. Ich bin ja hier einmal als ärztliche Psychotherapeutin, aber eben auch als Geschäftsführerin tätig bei uns.
Und ich habe heute angefangen mit einer Gruppentherapie in der Tagesklinik, einer ketaminaugmentierten Sitzung und dann heute Nachmittag noch vier Einzeltherapien. Das war jetzt der Tag so bis jetzt. Das ist ein strammes Programm und auf der anderen Seite finde ich es gerade gut, so Anfang der Woche mal einen Blick in die Tagesklinik geworfen zu haben, zu sehen, wie ist die Stimmung. Und das ist eigentlich so eigentlich ganz gut, finde ich.
Madeleine: Ja, spannend. Da hast du schon ein paar Schlagworte gesagt. Ketaminaugmentierte Psychotherapie, dann gehen wir doch da gleich mal rein. Bevor wir zu den ganz speziellen Dingen kommen, lass uns die Basics legen. Was sind eigentlich Psychedelika? Was gehört da alles dazu?
Andrea: Also Psychedelika sind zunächst mal Substanzen, die einen besonderen Bewusstseinsraum öffnen. Das ist ein Raum, der davon geprägt ist, dass man im realen Fall mehr oder anders wahrnimmt. Also stärkere Gefühle, starke innere Bilder, manchmal auch sogar Pseudo-Halluzinationen. Und es gibt die klassischen Psychedelika.
Das sind die sogenannten serotonergen Psychedelika. Dazu gehört LSD, Psilocybin, aber auch DMT und andere. Es gibt die atypischen, die über andere Mechanismen wirken, aber ähnliche Türen aufmachen. Das ist zum Beispiel einmal das Ketamin oder auch das MDMA. Und das sind Substanzen, die zum Teil schon sehr lange bekannt sind, zum Teil auch schon Jahrtausende im schamanischen Gebrauch sind, aber in der Psychotherapie oder in der Medizin angekommen sind sie letztendlich so seit Mitte des letzten Jahrhunderts, da gab es die erste Welle an Therapieversuchungen damit.
Dann wurde das alles 1970 ausgehebelt und verboten im Rahmen der UN-Single Convention. Und in den letzten 15 Jahren erleben wir jetzt wieder so einen Anstieg, eine Zunahme an Forschung und an chemischer Anwendung weltweit.
Madeleine: Wie ist denn da gerade der aktuelle Stand in Deutschland? Mit welchen Psychedelika kann man sich behandeln lassen und wo werden sie eingesetzt?
Andrea: Also es hat sich schon sehr viel getan in dem Sinne, dass es auch in Deutschland zunehmend mehr Studien gibt, in denen mit Psychedelika gearbeitet wird. Wir haben selber am ZI Mannheim, in der Charité, eine Psilocybin-Studie gemacht mit 44 Probanden, Proband:innen mit therapieresistenter Depression. Hier bei uns in der Tagesklinik haben wir jetzt eine Studie zu 5-MeO-DMT bei Depressionen gemacht, bereiten gerade eine Studie mit LSD bei Angststörungen vor, die wird im Sommer jetzt anlaufen. Und zu dieser Studienebene gibt es immer mehr, wie gesagt, an der Charité, am ZD Mannheim, die LMU in München ist daran beteiligt. Die Uni Tübingen ist da gerade am Einsteigen. Und das sind die Dinge, die quasi in Studien möglich sind, weil die Serotonergen-Psychedelika noch nicht freigegeben sind und auch das MDMA nicht für die Therapie außerhalb von Studien.
Was jedoch möglich ist nach deutschem Recht, ist der Off-Label-Gebrauch von razemischem Ketamin, mit dem man eben auch psychotherapeutisch-psychedelisch arbeiten kann.
Madeleine: Jetzt hast du razemisch so deutlich betont. Was hat es damit auf sich für alle, die das noch nicht so kennen?
Andrea: Also Ketamin liegt in zwei Verarbeitungsformen vor. Das eine ist das S-Ketamin, das unter dem Handelsnamen Spravato auch auf Kassenrezepte zur Depressionstherapie eingesetzt werden kann. Da gibt es ganz strenge Vorgaben, was, wie, wo das verwendet werden kann. Und das andere ist das razemische Ketamin, das ist so ein bisschen die alte Variante. Da ist das S-Ketamin auch drin, aber eben quasi auch noch eine verwandte chirale Form der Substanz. Also chiral heißt, das quasi, das ist wie eine rechte und eine linke Hand- es wird immer 50 Prozent in der Biologie sozusagen oder auch in der Synthese erzeugt -
bei vielen Substanzen verwandeln die sich ständig ineinander über. Es gibt aber Substanzen, da ist es nicht der Fall. Das ist zum Beispiel beim Ketamin so, beim Citalopram - Escitalopram zum Beispiel auch, dass die sehr unterschiedlich sind und zum Teil auch anders wirken.
Und beim Ketamin ist es eben so, dass das rechtsdrehende Ketamin, dass das nicht das S-Ketamin ist, das stärker psychoaktiv ist - während das S-Ketamin stärker dissoziativ, also so entrückend und schmerzwirksam ist.
Madeleine: Das war jetzt nochmal Chemie-Basics. Super, vielen Dank. Du hattest gesagt, jetzt ist dieses Ketamin vor allem bei therapierefraktärer Depressionen verwendbar. Und ansonsten gibt es vor allem Forschungsprojekte auch zum Thema Depressionen, Angst, - Hast du noch was gesagt oder sind das so die Hauptanwendungsgebiete?
Von Depression bis Sucht – Ketamin und Psychedelika in der Psychotherapie
Andrea: Also generell für Psychedelika gibt es eine ganze Latte an Anwendungsgebieten.
Die Depression ist so ein bisschen der Klassiker, auch die Angst in existenziellen Lebenssituationen, wie zum Beispiel bei einer schweren Erkrankung, Angststörungen generell. Aber es gibt auch Forschungen zu Essstörungen, Anorexie-Bulimie. Es gibt Studien, die sehr spannend sind zum Thema Raucherentwöhnung, zum Thema Suchtpatienten.
Also da ist weltweit einiges los. Das ist aber größtenteils in Studien der Fall. Das Ketamin, das wir anwenden können oder anwenden, hat eine relativ gute Evidenz gerade für die Depression, aber auch bei Angst, bei Trauma-Folgestörungen - also nicht in der Akutsituation und auch nicht in der akuten Trauma-Behandlung, sondern eher so bei Menschen, die schon ihre Traumatherapie gemacht haben und so an der Weggabelung stehen - finden die ins Leben zurück oder gehen in Richtung einer Verbitterungsstörung.
Da kann das gut eingesetzt werden. Also man kann so ein bisschen Pi mal Daumen sagen, dass meistens dann, wenn Patienten von einer großen Einengung, man nennt das Rigidität, psychisch betroffen sind, dass dann diese eher aufwühlenden, eher disruptiven Therapien auch was bringen können. Das ist die therapeutische Ebene.
Und dann gibt es eine ganz hardcore neurobiologische Ebene, neuropharmakologische Ebene, wo diese Substanzen, das Wachstum von neuen Nervenbahnen fördern. Das lässt sich sogar in der Petrischale an Nervenzellen feststellen, wo zum Beispiel auch das Ketamin einen ganz stark antidepressiven Effekt hat, indem es Rezeptoren freispült, die vorher verstopft waren. Und das gibt es eben auch.
Also Neuroplastizität, Rezeptoraffinität können da sehr positiv beeinflusst werden, sodass man quasi von zwei Seiten kommt, mit einem psychotherapeutischen Effekt und einmal mit einem biologischen.
Madeleine: Das heißt jetzt, in der Praxis aktuell, in deiner Berliner Praxis könnt ihr vor allem ketaminaugmentierte Therapien anbieten? Oder gibt es auch Forschung, die ambulant stattfinden kann?
Andrea: Wir sind das einzige Zentrum in Deutschland, an dem außerhalb der Universitäten Forschung gemacht wird mit diesen Substanzen. Wir haben quasi das Ketamin als Standardmedikament - nicht bei allen Patienten, wir behandeln natürlich auch Patienten, die einfach nur zur Psychotherapie kommen, sowohl in der Praxis als auch in der angeschlossenen Tagesklinik. Und wir haben in der Ambulanz eben auch die Möglichkeit gehabt, das ist gerade abgelaufen, mit 5-MeO-DMT bei Depressionen zu forschen, und werden jetzt ab August Patienten rekrutieren mit einer generalisierten Angststörung für einen Therapieversuch innerhalb einer Studie mit LSD. Aber wir sind ja quasi die Einzigen in Deutschland, die das außerhalb einer Universität gerade dürfen.
Und da sind wir auch sehr stolz drauf, freuen uns sehr. Aber so die größere Expertise und Erfahrung kommt eben aus der Arbeit.
Madeleine: Und sind das dann immer Psychotherapien, die mit den Substanzen auch mitiert sind? Oder gibt es auch außerhalb von Psychotherapien quasi nur zur Ketaminbehandlung Menschen, die vorbeikommen? Wie läuft das so ab?
Andrea: Also wir bieten keine reinen Ketamininfusionsbehandlungen an. Wer das möchte, der findet garantiert einen Anästhesisten oder auch einen Psychiater, der das anbietet. Wir machen das nicht. Bei uns ist das Prinzip immer, psychedelische Therapie ist Psychotherapie. Das heißt, wir bereiten die Leute sehr gut vor, machen lange Vorgespräche, gucken, könnte das passen, machen Erwartungsmanagement, machen auch eine somatische Anamnese, mit Blutentnahme, machen Labor, schreiben EKGs und so weiter, einfach ganz sicher zu sein, dass das alles passt. Und die Patienten durchlaufen wirklich letztendlich vom Schema her, von der Länge der Therapie eine Kurzzeittherapie von mindestens 24 Stunden, in die dann - in der Mitte 5 bis 7, maximal 8 - ketaminaugmentierte Sitzungen eingebaut sind. Und das Ganze wird eben unterstützt durch Integrationssitzungen, die immer am nächsten Tag sind. Also bei uns gilt immer kein veränderter Wachbewusstseinszustand ohne Integration. Das bringt nichts. Also wenn man nur rausschießt und ihm nicht hilft, das auf das Leben umzunützen, das nützt niemandem, deswegen ist es ganz stark bei uns da.
Und wir haben manchmal Patienten, die an uns herantreten und sagen, ach, das ganze Therapie-Gedöns will ich nicht, ihr sollt doch einfach nur auf den Knopf in meinem Hirn drücken und wir sagen: sorry, das geht nicht. Das können wir nicht. Und das wäre ein Heilversprechen, das wir nicht abgeben können für etwas, für was wir nicht stehen.
Aber zum Beispiel diese LSD-Studie, die jetzt läuft, das ist das Konzept der amerikanischen Firma, dass die ganz gezielt sagen, wir machen nur eine psychologische Begleitung, keine Psychotherapie. Das heißt, man sieht den Patienten auch vor dem ersten LSD- oder Placebo-Termin genau zweimal für zwei Stunden - was ich sportlich finde.
Madeleine: Und da wird dann wahrscheinlich einfach nur Indikationen und Kontraindikationen abgeklappert. Und so ein bisschen vielleicht therapeutische Beziehungen geknüpft und das war es dann auch. Da kann man ja wirklich nicht therapeutisch arbeiten.
Andrea: Also das Screening läuft vorher. Die Patienten sind dann schon eingeschlossen.
Das ist quasi das, was man als Vorbereitung macht. Aber klipp und klar ist sozusagen, da nur eine ganz generelle Kontaktaufnahme. Also wer bist du denn? Und was könnten deine Themen sein? Mehr geht da gar nicht in der Zeit, das wäre utopisch zu meinen.
Ob dieses Konzept sich durchsetzt, das ist das, was sehr viele amerikanische Firmen gerade promoten. Also eher psychologische Betreuung als Psychotherapie im Zusammenhang mit Psychedelika. Die Idee ist, dass es leichter durchzubringen ist bei den amerikanischen oder europäischen Behörden als ein Kombinationsprodukt aus einer Substanz und einer echten Psychotherapie. Das ist so das Hauptargument. Und die Bezahlbarkeit, weil natürlich zum Beispiel beim LSD ja schon eine Gabe, eine Sitzung zwischen acht und zwölf Stunden dauert, die man den Patienten begleiten muss. Und wenn man dann noch mehr Therapie außenrum macht, wird das halt sehr schnell sehr teuer. Da ist quasi der Faktor Mensch, das Teure in dem ganzen Konstrukt.
Madeleine: Ja, und das ist natürlich für Studien sehr viel besser nachzuweisen, wenn ich nur eine quasi Minimalbegleitung habe und wirklich nur der Effekt auf die Substanz selbst zurückzuführen wäre.
Andrea: Das ist der Wunschraum dieser Firma. Mal schauen, ob es das bewahrheitet. Ich bin eher davon überzeugt, dass es die Therapie braucht.
Madeleine: Okay, interessant. Und nur noch eine Folgefrage zu dem, was du vorher gesagt hast, Integrationssession oder so hattest du gemeint. Das ist dann quasi die Nachbesprechung der letzten Ketaminbehandlung.
Andrea: Die meisten Konzepte von psychologischer Therapie generell behalten dieses Element der Integration. Dabei geht es darum, die Sachen, die man gelernt hat, zu übertragen. Und nutzbar zu machen. Über den weiteren Weg für das Leben des Menschen.
Also quasi die Erkenntnisse, die gezogen worden sind, die Gefühle, die da waren, auch deuten zu lernen, nutzen zu lernen. Denn letztendlich nützen einem die besten, tiefsten, stärksten Einsichten nichts, wenn man es nicht schafft, es zu übertragen auf das, was dann erlebt werden soll.
Madeleine: Ja, total interessant. Ich arbeite in der Klinik für Psychiatrie. Bei uns wird auch Ketamin angewendet. Und bei uns ist es tatsächlich so, dass die Sitzungen dann irgendwie in einem dunklen Raum bereits abgeschirmt stattfinden, aber tatsächlich nur die Substanz gegeben wird. Und es währenddessen keine Begleitung gibt, außer die Überwachung der Vitalparameter. Aber keine psychotherapeutische oder psychologische Betreuung. Und auch das Besprechen danach- ja keinen großen Raum einnimmt. Das hört sich dann doch anders an bei euch.
Andrea: Also bei uns ist es so, dass die Patienten immer ihren Therapeuten, ihre Therapeut:innen an ihrer Seite haben in den Sitzungen. Die sitzen daneben, die können auch mal Hand halten, können mal die Hand auf die Schulter legen. Also so eingeschränkten Körperkontakt besprechen wir als Unterstützung. Die Patienten haben spezielle Playlists, die über Kopfhörer eingespielt werden, die eine Dynamik haben, die praktisch dem Plasmaspiegel der Substanz angepasst ist. Also am Anfang eher ruhig, dann eher evokativ, und dann eher ruhig am Ende. Und wir betreuen das sehr aktiv. Und wir versuchen auch durch dieses Set-und-Setting, so nennt man das, sehr, sehr stark zu fördern, dass die Menschen eben in intensive innere Prozesse kommen.
Madeleine: Auch mit einem Gespräch? Oder eher über Musik, äußere Reize? Also normalerweise ist es so, dass quasi am Anfang ein Check-in gemacht wird, besprochen wird, wie geht's, wir machen eine Entspannungsübung. Und dann haben die Patienten die Kopfhörer auf, und währenddessen spricht man eher weniger, weil man den Prozess nicht stören will. Wenn der Patient was Wesentliches auszudrücken hat, dann geht man natürlich darauf ein. Wenn ein Patient mal zum Beispiel -keine Ahnung hat, er hat Aufregung, vergisst zu atmen - dann nimmt man mal den Kopfhörer ein bisschen weg, sagt „weeeiter atmen“.
Aber es ist quasi alles eher so dieses gefasste Betreuen, nicht so unbedingt therapeutische Intervention. Es gibt auch ein paar Kollegen, die eher so hypnotherapeutisch arbeiten, aber nicht bei uns. Wir wollen eigentlich den Menschen die Chance geben, die Erfahrung zu machen, die in ihnen aufsteigt. Und die können sehr stark sein.
Madeleine: Ja, total interessant, wie unterschiedlich das dann doch auch stattfindet. Lass uns ein bisschen in die Forschung schauen. Wir haben es schon angeteasert. Gleich noch mal eine grundlegende Frage. Warum brauchen wir überhaupt diese Forschung an psychodelischen Stoffen? Reichen die aktuellen Antidepressiva-Dinge, die wir jetzt medikamentös haben, nicht?
Warum Psychedelika in der Therapie? Ergänzung statt Ersatz
Andrea: Das ist eine sehr spannende Frage. Du arbeitest ja selbst in dem Feld. Du kennst es selber. Es gibt Patienten, die von Psychotherapie, von Antidepressiva hervorragend gut profitieren. Nicht alle vom gleichen. Manche kommen mit ihrem SSRI prima klar, andere brauchen was anderes. Aber es gibt eben auch eine gewisse Gruppe an Patienten, die entweder gar nicht auf diese Medikamente anspringt, oder sehr viele Nebenwirkungen hat, oder einfach sagt, sie wollen diese Medikamente nicht einnehmen, und Psychotherapie bringt bei denen auch nicht so viel.
Gerade für diese Menschen bieten psychedelische Therapien nochmal eine andere Therapieoption, kann man nochmal einen anderen Weg gehen. Und das Schöne daran ist, dass man eben nicht über Monate, Jahre hinweg eine Substanz gibt, sondern dass ganz punktuell und ganz gezielt eingesetzt wird, wenige Male gegeben wird. Das heißt, man hat wie gesagt, 5-7, Psilocybin vielleicht nur 1-2 Mal im Rahmen einer Therapie, das Ganze gut eingebettet, und es einfach eine Langzeitwirkung entfalten kann.
Das Spannende ist, zur Studie die wir gemacht haben, wir werten gerade die Nachbeobachtungsdaten aus, die haben wir über 12 Monate, und wir sehen, dass sehr viele der Patienten, die initial gut reagiert haben, auch nach einem Jahr immer noch frei sind von depressiven Symptomen. Also so eine lange Nachbeobachtung haben klassische Antidepressiva z.B. nicht bestanden. Wenn man die absetzt, viele Patienten haben dann wieder einen Rückfall usw. Es wird nie so sein, meiner Auffassung nach, dass psychodlische Therapien die klassischen Antidepressiva verdrängen werden. Wenn es gut läuft, ist es einfach eine weitere Therapieoption für Menschen, die eine andere Herangehensweise wünschen und vielleicht auch andere Themen mit sich rumtragen.
Madeleine: Glaubst du, dass es sich eher etablieren wird in therapierefraktären Erkrankungen oder, so wie du sagst, als anderes Standbein, genauso wie vielleicht auch als anderes Standbein, dass es die RTMS gibt oder eine Elektrokrampfterapie.
Was denkst du dazu?
Andrea: Das ist auch etwas, das sehr stark diskutiert wird. Einige der Studien mit Psilocybin z.B., die sind gar nicht für therapierassistente Depressionen konzipiert, sondern generell für Major Depression, also für eine mittlere bis schwere Depression. Und da sind z.B. auch die Anzahl an Vorbehandlungen nicht so streng vorgegeben, wie das bei den Studien ist, die wir jetzt hier gemacht haben. Die Frage ist auch, wie chronifiziert kann jemand sein und hat von wenigen intensiven Impulsen noch einen Vorteil. Wenn jemand 30 Jahre schwer depressiv ist, da kommt man ja sehr, sehr, sehr schwer drüber. Das sind ja auch neuronale Bahnen, die im Gehirn eingeprägt sind. Das ist einfach eine Autobahn. Einen Impuls, was drüber legen, was alles verändert, ist zum Teil auch schwer vorstellbar, kann auch gelingen, auch das gibt es manchmal. Aber da gibt es schon Bestrebungen, gerade in den USA, zu sagen, wir setzen früher an.
Wir gehen als zweite Behandlungsoption bei Menschen, bei denen wir denken, die können einen Benefit davon haben, an diese Therapieform ran. Die Risiken sind überschaubar. Es gibt bei gut selektionierten Patientengruppen keinen Hinweis auf ein relevant erhöhtes Risiko für Psychosen zum Beispiel. Das ist relativ harmlos. Es hat kein Suchtpotenzial -die serotonergen-Psychedelika haben kein Suchtpotenzial. Bei Ketamin ist es ein bisschen anders. Da muss man ein bisschen mehr aufpassen. Aber auch das ist wirklich überschaubar.
Von daher denke ich, dass mittelfristig hoffentlich auch Patienten behandelt werden können, die nicht so lange therapiert worden sind, wo schon so viel versucht worden ist. Aber das ist quasi noch ein bisschen offen.
Madeleine: Gerade für die Menschen, da denke ich jetzt an einige Beispiele bei mir in der Klinik, die eigentlich schon so lange eine chronische Depression oder andere chronische Erkrankungen haben, wäre es natürlich noch mal umso schöner, wenn es auch eine andere, neue Behandlungsmöglichkeit gäbe. Aber vielleicht sind die Psychedelika dann doch nicht der richtige Weg.
Andrea: Doch schon. Das kann man schon probieren. Aber es sind nicht nur die Letzte Wiese-Patienten. Das ist ganz zentral richtig. Natürlich sollte man das auch versuchen.
Wobei zum Beispiel die Studie, die wir gerade gemacht haben mit 5-MeO-DMT, da hat die Firma als Ausschlussdiagnose gehabt, mehr als 5 Antidepressiva versucht. Das haben andere Studien nicht. Da haben Patienten auf 10, 15, 20 verschiedene Medikamente durch.
Das ist natürlich ein Riesenleidensdruck. Man kann das probieren, aber man sollte halt nicht auf Wunder bauen.
Madeleine: Wie ist denn die aktuelle Evidenz von dem, was wir wissen? Du musst mir jetzt keine Meta-Analyse runterbeten, aber vielleicht mal so Pi mal Daumen. Was lässt sich jetzt schon sagen über die aktuelle Evidenz zu Psychedelika in der Psychiatrie? Sagen wir mal vielleicht für Depressionen im Vergleich zu Antidepressiva oder zu anderen, gerade schon etablierten Therapien?
Aktuelle Evidenz – wie wirksam sind Psychedelika?
Andrea: Im Moment gerade laufen die ersten Phase-3-Zulassungsstudien. Das ist immer die letzte Stufe vor einer Marktzulassung bei Psilocybin und z.B. Compass Pathways. Das ist der Vorreiter. Das ist eine britisch-amerikanische Firma, die gerade da ihre ersten Phase-3 vorgelegt hat. Die waren positiv, aber nicht berauschend. Was wir so feststellen, ist, je kleiner die Studien, desto beeindruckender zum Teil auch die Effektstärken. Es sind halt auch kleine Samples. Das ist eine Statistik-Sache ab einem gewissen Punkt. Das kann dann sehr positiv aussehen, weil einige sehr positiv abschneidende Patienten das schon sehr in die Richtung ziehen können.
Je mehr Patienten behandelt werden, desto weniger stark ist dieser Wow-Effekt. Aber immer noch so, dass man sagen muss, es gibt einen positiven Effekt in der Behandlung von Depressionen mit Psilocybin, auch in dieser Studie. Wenn alles gut läuft, wird in den nächsten zwei, drei Jahre zumindest in den USA die Zulassung kommen für Psilocybin bei Depressionen.
MDMA, bei Postttaumatischer Belastungsstörung, ist ja gerade so ein bisschen abgeblitzt letztes Jahr bei der FDA. Da weht aber auch gerade ein anderer, und auch schwieriger Wind rund um dieses Projekt, wo man ein bisschen abwarten muss, ob quasi die Lobby rund um Kennedy, der gerade der zuständige Minister ist, das jetzt einfach durchwinken, obwohl die FDA eigentlich Bedenken angemeldet und um Nachbesserungen gebeten hatte. Das kann man gerade alles nicht sagen. Da ist die USA auch als Forschungspartner in den letzten 1,5 Jahren nicht so verlässlich, wie man das vorher gewohnt war.
Madeleine: Jetzt hast du ja in Mannheim oder in Berlin, wie auch immer, an der EPIsoDEstudie mitgewirkt, die 2024 auch, soweit ich weiß, abgeschlossen wurde und weltweit die zweitgrößte Studie zu Psychedelika ist, die öffentlich finanziert wurde. Was, ja, eigentlich, wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, eine große Änderung ist, können wir auch nachher gerne nochmal drüber sprechen. Genau, die wurde 2024 abgeschlossen. Kannst du uns da so eine kleine Sneak Peak zu den Ergebnissen geben? Kannst und darfst du das?
Andrea: Da das gerade zur Veröffentlichung bei den Journals liegt, darf ich es nicht so richtig. Tut mir leid. Es ist so ein bisschen, also, wir haben Effekte gesehen, das kann ich sagen.
Madeleine: (lacht) Okay, es hat Effekte gegeben.
Andrea: Es hat Effekte gegeben. Es ist so, dass wir ein großes Sample hatten, 144 Patienten an zwei Standorten und wir haben auch einige Patienten gesehen, die sehr überraschend gut reagiert haben. Wie das jetzt statistisch herauskommt, da möchte ich jetzt nicht auf eine Wasserwaage bevor die Daten veröffentlicht sind, das ist immer so ein bisschen knifflig -
Madeleine: Na klar.
Andrea: Aber es war eine tolle Möglichkeit zu lernen und zu erfahren.
Madeleine: Okay, dann setzen wir doch mal voraus, dass es Effekte gibt. Wie siehst du so die nächsten Schritte mit dem Projekt oder generell so auf dem Weg zur Etablierung von Psychedelika in der Therapie? Wie kann es nach dieser Studie weitergehen?
Andrea: Na ja, also wir haben die letzten drei Jahre damit verbracht, eine Studie aufzusetzen, die eine Phase-3-Studie sein soll, aber nicht so, wie die Studie zum Beispiel von Compass Pathways gegen Placebo, sondern gegen Standard of Care. Das heißt eine Studie, die auch in Deutschland potenziell ins öffentliche Gesundheitssystem führen könnte, denn das geht nicht - das ist eine der HTA-Studien, die dann anders bewertet werden müssen, sozusagen. Also man kann in Deutschland zwar eine Medikamentenzulassung bekommen, aber die Medikamente werden immer nur bei Privatpatienten bleiben, wenn man quasi nicht belegt, dass das neue Medikament gleichwertig oder besser ist zum Standard of Care, also zur Standardbehandlung, das wäre in dem Fall zum Beispiel Escitalopram plus Psychotherapie oder Quetiapin plus Psychotherapie. Das sind so die Sachen, die im Raum sind. Und wir haben versucht, dafür Geld zu bekommen von der Sprind. Die Sprind ist die Agentur für Sprunginnovationen in der Bundesrepublik Deutschland und das sah lange sehr gut aus. Jetzt haben wir leider die Ablehnung bekommen, das war denen vielleicht zu komplex, das Projekt. Die sind eher so auf Technologieinnovationen spezialisiert.
Also ich glaube, wenn wir was mit TMS gemacht hätten, hätte das eher hingehauen –
Madeleine: -das heißt Transmagnetstimulation?
Andrea: Genau, also das Magnetspulen auf den Kopf und Magnetfelder auf den Kopf legen und dann macht das auch antidepressive Wirkungen, da gibt es auch solche und solche Evidenz zu, da brauchen wir jetzt nicht in die Tiefe gehen. Aber quasi, wir sind jetzt dabei, zu versuchen, mit verschiedenen europäischen und außereuropäischen Partnern eine- letztendlich ein Förderungskonsortium aufzubauen, das Geld woanders zu organisieren.
Eine Studie kostet irgendwas zwischen satten 55 und 75 Millionen Euro. Das muss man dann auch schaffen, das ist wirklich dann aber auch ein großes Projekt, das auch eine durchschlagende Wirkung haben kann. Also wenn in Deutschland Psilocybin zugelassen würde für das öffentliche Gesundheitssystem, ist die Wahrscheinlichkeit, dass viele andere Länder in Europa nachziehen würden, sehr hoch. Deutschland ist oft so ein bisschen der Leuchtturm in diesen Bereichen. Wir haben beim letzten Mal das Glück gehabt, dass die EPIsoDEstudie mit über 5 Millionen Euro gefördert war vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Es wäre natürlich toll gewesen, jetzt auch wieder eine Förderung zu erhalten. Die Sprind ist auch nicht ganz raus, würde sich eventuell am Rande beteiligen, aber halt nicht so hauptsächlich einsteigen, wie wir uns das erhofft hatten. Es wäre natürlich schön, wir wären da schon weiter. Es gibt viele Patienten, die das Ganze brauchen. Es gibt viele Patienten, die sehr profitieren würden, wenn es zugänglich wäre. Und das sind oft eben nicht die, die das Kleingeld haben von der privaten Versicherung.
Madeleine: Das heißt, gerade für die Phase-3-Studie, die zu einer Zulassung führen könnte, braucht es noch die Gelder. Jetzt muss ich vielleicht auch mal ein bisschen stümperhaft fragen. Ihr wollt es gerne öffentlich finanziert lassen, aber sonst gibt es ja bei vielen neuen Medikamenten auch einfach Firmen, die sich für diese Studien einsetzen und interessieren und die durchführen.
Andrea: Also, Psilocybin ist per se erst mal raus aus der Patentierung, weil es so eine alte Substanz ist. Es ist ja schon in den 50ern synthetisiert worden. Jetzt ist es so, dass Compass Pathways und ein paar andere neue Syntheseformen aufgelegt haben und sich speziell diese Syntheseformen haben patentieren lassen, um damit sozusagen Intellectual Property, also geistiges Eigentum und Patente zu kreieren. Aber das ist nicht unbedingt der Weg, den wir gerne gehen würden. Wir würden es ja wirklich gerne im öffentlichen Gesundheitswesen bringen und zugänglich für die Menschen. Wir haben da auch einen Partner in den USA, der das Psilocybin herstellt auf Medikamentenniveau und als Medikament. Das ist Usona, das ist ein Non-Profit. Wir würden es gerne mit Usona zusammen machen und trotzdem muss man halt eine Struktur schaffen, in der das Medikament am Markt sinnvoll eingesetzt werden kann, muss eine Refinanzierung haben, die Pharmakovigilanz, die organisiert werden muss. Das ist einfach sehr, sehr aufwendig alles. Und es gibt durchaus auch Investoren, die gerade interessiert sind und sagen, okay, sie wollen jetzt nicht das XY-Fache ihres Invests wieder raushaben, sondern eher so ein bisschen philanthropisch orientiert und mit denen sprechen wir schon. Es wäre natürlich total schön gewesen, das Projekt so aufzusetzen, dass man möglichst frei sich bewegen kann. Wir müssen einfach mal gucken, wie es weitergeht. Wir sind da gerade dran. Wir suchen gerade nach Investoren, sprechen mit verschiedenen Agenturen, auch europaweit, mit verschiedenen Zentren, wo Menschen sich organisieren, die viel Geld haben und gerne was Gutes tun möchten. Das muss man jetzt einfach abwarten.
Madeleine: Das ist ja total spannend, auch das gleich öffentlich finanziert lassen zu wollen, ist zwar sicherlich ein Weg, der mit vielen Hürden gespickt ist, aber sehr interessant, das auch von der Seite aufzurollen und anzugehen.
Andrea: Also es wäre eben schön, ein Medikament an den Markt zu bekommen, das den Menschen wirklich dient und unser Hauptinteresse ist dabei, nicht unbedingt mega reich zu werden, sondern eher dafür zu sorgen, dass etwas, das wir für gut, wirksam und hilfreich halten, eben seinen Weg zu den Menschen findet.
Madeleine: Da sieht man mich auf jeden Fall ganz kräftig nicken hier im Zoom-Call. Was glaubst du, auf welcher Timeline wir uns in Deutschland da so bewegen? Wann könnte zum Beispiel Psilocybin in der Psychotherapie ankommen?
Andrea: Also wenn Compass Pathways so weitermacht wie bisher und die Daten durchzieht, könnte es sein, dass 27, 28 die Zulassung für Psilocybin in Europa kommt, aber eben für Selbstzahler und Privatpatienten. Das könnte sein und dann auch mit der Maßgabe, dass es eben für Depressionen als einzige Indikation kommen wird. Da muss man gucken, wie es weitergeht. Wir haben jetzt, wir versuchen gerade eine Regelung hier zu etablieren, die in der Schweiz auch möglich ist. In der Schweiz gibt es ja Kollegen, Psychiater:innen, die Sondergenehmigungen haben, um mit Psilocybin, LSD und MDMA zu therapieren. Quasi auf einer Fall-zu-Fall-Basis. Die müssen jeden Patienten gezielt beantragen beim Bundesamt für Gesundheit und kriegen eine Freigabe und dürfen dann mit assoziierten Universitäten diese Therapien machen, auch außerhalb von Studien. Und wir versuchen sowas eben für Psilocybin auch in Deutschland zu erreichen, für die Standorte, die eben schon zum Beispiel in der EPIsoDE-Studie gearbeitet haben. Letztendlich mal gucken, wie das dann kommen kann. Da ist jetzt vor allem die UV-Klinik hier in Berlin mit dabei, in der City in Mannheim. Aber das ist in der Mache. Wir sprechen eben mit den Behörden, deutschen Behörden.
Also wer schon mal versucht hat, in Berlin ein Auto zuzulassen, weiß, dass Behördenkommunikation dauern kann. Dementsprechend warten wir ab, wie sich das Ganze entwickelt. Aber es wäre natürlich ein toller Schritt vorwärts, um das Ganze quasi schon wirklich an die Patient:innen zu bekommen, die es jetzt brauchen.
Madeleine: Und ich verstehe da aber richtig, jetzt sind wir irgendwie nur auf Psilocybin. So, das ist quasi das aussichtsreichste, wo man irgendwie am weitesten ist von all den Substanzen?
Andrea: Das ist so. Also Psilocybin für Depressionen, MDMA für posttraumatische Belastungsstörungen. Und danach kommt der ganze Rest, echt ganz schön abgeschlagen.
Madeleine: Ganz schön abgeschlagen, okay. Ich wollte noch mal einmal kurz in die Geschichte schauen. Jetzt hat sich ja in den letzten 15 Jahren, oder so grob 15 Jahre, echt viel verändert in der Einstellung der Bevölkerung und in der Politik. Wie erlebst du das gerade? Du sagst, die Mühlen malen trotzdem irgendwie langsam. Hat das auch noch was mit diesem Forschungszweig zu tun, weil es eben Psychedelika sind? Oder glaubst du, die Mühlen malen einfach generell manchmal langsam? Merkst du vielleicht auch über den Lauf der Zeit, in dem du beteiligt bist an Projekten, da eine Veränderung?
Stigma, Skepsis und Aufbruch: Psychedelika im gesellschaftlichen Wandel
Andrea: Also Hand aufs Herz, ich bin eher überrascht, dass wir schon so weit sind.
Madeleine: Okay. Also mein Mann ist ja in dem Bereich schon seit fast 30 Jahren zugange. Er hat eher so rhetorisch, soziologisch die Sachen aufgearbeitet, die eben möglich waren vor den Verboten. Also auch mit den Schweizer Kollegen, die dann quasi da eine Gesellschaft aufgebaut haben, die dazu geführt hat, dass eben die Sondergenehmigung in der Schweiz jetzt da ist. Und mit denen war er viel in Kontakt. Und ich habe 2008 angefangen, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Da stand in keinem Textbuch der Psychiatrie irgendwas zu Psychotherapien. Wenn die Substanzen aufgetaucht sind, dann im Kapitel Intoxikation und Suchtstoffe, was ein bisschen absurd ist. Heute ist das schon ganz anders. Und da hat man wirklich damals, 2008, 2009, als ich aus der Uni kam, gesagt „und erwähne, bloß nicht, dass dich dieses Thema interessiert. Das ist der ultimative Jobkiller. Du kriegst nie eine Anstellung in der normalen Klinik“. Heute ist es nicht mehr so. Also heute haben wir viele junge Kollegen in Weiterbildung, die bei uns z.B. als Psychologen ihr PT2 machen. Wir sind viel in Kontakt mit Menschen über eine Ausbildung, über die MIND Foundation.
Das ist ja quasi unser Non-Profit-Teil den wir anbieten, wo Menschen aus der ganzen Welt angereist sind. Wir bereiten gerade die achte Gruppe Psychotherapeuten, Ärzte vor, die wir weiterbilden. Das sind jetzt mittlerweile 170 knapp, glaube ich.
Und von denen, die kommen zum Teil aus natürlich den Dachstaaten Deutschland, Österreich und Schweiz, aber auch aus dem europäischen Ausland, aber auch bis nach Usbekistan. Wir hatten jetzt jemanden aus Neu-Delhi mit dabei, Kollegen aus Brasilien, Kanadier, Chile. Das ganze Ding hat weltweit Momentum aufgenommen. Und überall sind die Leute in Vorbereitung, versuchen auch anders, als das sozusagen zwischenzeitlich der Fall war, nicht in den Untergrund gehen zu müssen, sondern versuchen, das Ganze im Gesundheitssystem zu etablieren. Das ist ja auch unser Weg. Wir machen hier bei uns nichts, was man nicht dem Berliner Polizeipräsidenten bei der Tasse Tee erzählen könnte. (Madeleine lacht) Und da ist eine Neuerung einfach passiert. Lange Jahre war es ja so, dass Psychotherapeut:innen, Ärzt:innen dachten, okay, wenn man sich damit befassen will, dann muss man das unterm Tisch machen. Und da ist ja auch schon einiges schiefgegangen.
Da gab es durchaus auch mal Todesfälle, weil Sachen nicht gut dosiert und sicher waren. Aber wenn man das Ganze eben in einem klinischen Setting macht, wenn man das Ganze mit einem gut ausgewählten Patientenstamm macht und dann eben auch klinisch supervisiert mit den Leuten arbeitet, ist das eigentlich sehr sicher zu machen.
Madeleine: Und das transportiert sich sicherlich auch auf Entscheidungsträger:innen, die dann Studien zulassen müssen, Finanzierungen etc. Da ist bestimmt dieser Umschwung auch zu merken.
Andrea: Das auf jeden Fall. Wir merken jetzt, dass die Sprintentscheidung etwas ist, was mal nicht geklappt hat. Das ist jetzt nicht der erste Rückschlag, den wir hatten. Das kommt immer mal wieder. Das wäre halt schön gewesen, das läuft weiter. Aber jetzt muss man gucken, wie man sich da aufstellt. Und ich denke, die Message, dass man damit was tun könnte, kommt langsam an. Wobei natürlich auch die Ärzteschaft jetzt nicht nur progressiv ist, da gibt es auch viele Menschen, die konservativ sind, im Sinne von Dinge bewahren wollen, was ja erst mal auch eine positive Haltung sein kann. Es ist durchaus okay, sich da konservativer aufzustellen, die Dinge bewahren zu wollen. Und auf der anderen Seite ist es nun mal so, dass es letztendlich gerade in der antidepressiven Therapie in den letzten 15, 20 Jahren keine riesengroßen Innovationen gegeben hat. Und die Menschen haben einen Bedarf. Und ich denke, da darf man nicht übermütig werden, man sollte aber auch nicht zu ablehnend reagieren. Es ist immer eine Frage von Maß finden, Maß halten und die Patienten im Blick haben, wie es eigentlich gehen sollte.
Madeleine: Hast du für dich persönlich eine Erklärung, warum es jetzt doch diesen großen Umschwung gibt von ganz, ganz stigmatisiert und bloß nicht und im Untergrund - zu, dass man eigentlich mit Patient:innen auch Erwartungsmanagement machen muss und es auf einmal ganz viele wollen, viel darüber gesprochen wird, die Medien, finde ich, berichten auch sehr viel darüber. Hast du da für dich persönlich eine Erklärung, woran das liegt?
Andrea: Also es gibt so ein paar ganz konkrete Phänomene. Michael Pollan mit seinem Buch How to Change Your Mind hat definitiv dazu beigetragen. Es gibt auch so ein bisschen die Prä-Pollan-Psychedelika Interessierten und die Post-Pollen-Psychedelika Interessierte.
Das ist ein bisschen so popkulturell ganz anders verträumt. Und man muss natürlich sagen, dass so eine Offenheit für innere Arbeit, für Bewusstseinsarbeit sich ja auch in unserem Kulturkreis in den letzten 30 Jahren eingestellt hat, zum Beispiel über so Themen wie Mindfulness, wie Achtsamkeitsübungen, wie Yoga, wie Meditation, all diese Sachen. In jeder Volkshochschule kann man heute fünf verschiedene Sorten Yoga lernen. Das war früher unvorstellbar. Wenn dann der katholische Priester noch gewettert hat, Yoga ist Satanismus, dann sind die Menschen damit auch nicht so offen umgegangen. Aber das ist ja heute nicht mehr so. Da gibt es eine gewisse Durchdringung. Und spannend ist auch, ich habe zum Beispiel eine sehr, sehr interessante Erfahrung gemacht. Ich habe hier in Berlin bei älteren Kollegen ein Projekt vorgestellt mit der Tagesklinik.
Und der eine sagte irgendwann am Ende, „also aus meiner eigenen Erfahrung mit LSD in den 60ern“, (Madeleine lacht) wo ich dann dachte, okay, diese Kollegen gibt es halt auch. Die waren vielleicht eher versteckt, haben es nicht an die große Glocke gehangen, weil es zu gefährlich war. Da treten dann eben aber Menschen, die auch etabliert und arriviert sind, vielleicht einen Schritt mehr nach vorne und möchten sich auch gerne vielleicht beteiligen daran, das jetzt dann doch noch voranzubringen. Und das finde ich total erfreulich. Es ist einfach schön, dieses Feedback dann auch zu bekommen.
Madeleine: Interessant. Hast du manchmal persönlich auf der anderen Seite doch noch mit Vorurteilen zu tun? Ich denke mal, dass sich viele von euren Patient:innen speziell an euch wenden deswegen, weil sie schon wissen, dass ihr das anbietet. Da wird man jetzt nicht wie vielleicht, wenn ich mir vorstelle, dass es das als Behandlungssäule mal gibt für alle möglichen Menschen, die krank sind und ich das jemandem mal erklären müsste, dass es das gibt, dass wir das machen. Ich glaube, da würde mir wahrscheinlich noch ein bisschen vielleicht mehr Skepsis entgegenschlagen. Wie erlebst du das?
Andrea: Das Erste ist, ich erlebe mich überhaupt nicht als Verkäufer von diesen Therapien. Ich bin da sehr, es ist eine Möglichkeit, es ist ein Angebot, wenn Patienten das versuchen wollen, informiere ich gerne. Gesunde Skepsis ist ja auch was Wertvolles.
Madeleine: Total.
Andrea: In dem Sinne auch, dass ja viele Menschen ein Gespür dafür haben, sich und ihre Bewusstseinsräume zu schützen. Es ist schon ein anderer Umgang mit dem eigenen Selbst.
Es ist ein bisschen Kontrolle lockern, Dinge zulassen. Es gibt ja auch Patienten, die ein sehr gutes Bauchgefühl haben und sagen, ich will gar nicht so tief in mich reinkommen, ich halte es gar nicht aus. Dann würde ich niemals so eine Überzeugungsarbeit leisten.
Was ich immer schade finde, ist, dass bei vielen Menschen so ein bisschen die Schlagworte im Kopf stecken. Von LSD springst du aus dem Fenster und Ketamin ist doch ein Pferdebetäubungsmittel. Das sind halt Bildzeitungsniveau-Vereinfachungen.
Klar, wenn man sich nicht damit beschäftigt, ist das das, was hängen bleibt. Aber dann da einfach entspannt und selbstbewusst aufzutreten und zu erklären, zum Beispiel Ketamin, ja, ist 1966 am Tier das erste Mal zugelassen worden, 1968 aber auch am Menschen. Der ganze Vietnamkrieg ist auf Sanitäterseite der USA als Narkotikum und Schmerzmittel mit Ketamin gemacht worden. Wir haben das als unentbehrliches Medikament auf der Liste der WHO, der Medikamente, sozusagen das Weltkulturerbe der Medikamente, da steht Ketamin drauf. Das kann man einfach von alles erklären, den Leuten eine Chance geben. Auf der anderen Seite ist es natürlich so, dass alles, was man nicht kennt, erstmal auch Angst erzeugen kann. Das finde ich ernstnehmenswert. Ich biete mich gerne an, das zu erklären. Ich versuche auch gerne, die Zusammenhänge darzustellen. Aber ich bin da weder mit einem missionarischen Eifer noch mit dem Gefühl, alles besser zu wissen unterwegs. Für viele Patienten funktionieren auch andere Sachen sehr gut. Verschiedene Formen von Psychotherapie. Du hast vorhin die Elektro-Krampftherapie angesprochen. Das ist vielleicht ein bisschen unästhetisch, mit Elektroden auf dem Kopf, aber auch das hilft oft gut. Es gibt Patienten, die das wirklich als life-changing erlebt haben.
Ich denke es ist ein weiterer Therapiebaustein. Es ist eine Möglichkeit. Gerade wenn Menschen suchend sind, ihnen Optionen aufzuzeigen und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich dafür oder dagegen zu entscheiden, ist es toll. Wir sind in einer Situation, wo die Menschen nicht den Raum haben, sich dafür zu entscheiden. Das würde ich gerne ändern.
Madeleine: Wenn es diesen Raum gibt gesetzlich, es gibt die Möglichkeit, wem würdest du dazu raten und wem dagegen? Du hast schon viel genannt. Vielleicht kannst du es noch mal zusammenfassen mit Hinblick auf Risiken in so einer Behandlung.
Psychedelische Therapie: Für wen sie geeignet ist – und wann Vorsicht geboten ist
Andrea: Also generell ist das, was an Evidenz vorliegt, letztendlich Evidenz für Erwachsene. Es gibt Beginnstudien mit MDMA auch bei Teenagern. Da wird gerade eine Studie in Sydney aufgesetzt. Eine Elektrochirurgie in Melbourne. Die gucken ein bisschen in die Therapiewirksamkeit bei Teenagern. Ich würde immer sagen, ab 21 oder 23 aufwärts. Das ist das Mindestalter, wo man davon ausgehen kann, dass die Depression, die sich zeigt, nicht ein Vorstand von Schizophrenie ist. Das gibt es auch öfter.
Generell ist es so, dass immer da, wo schon zu viel Unruhe im Gehirn ist, man nicht noch mehr Unruhe reinbringen sollte. Menschen, die z.B. eine psychotische Episode hatten oder unter einer bipolaren Störung, also einer manischen Depression leiden, da muss man sehr vorsichtig sein.
Dazu gibt es auch spezialisierte Studien. Aber das wäre nicht meine erste Wahl. Es gibt zu Ketamindaten in der Anwendung, weil es ebenso auf Intensivstationen und in der Notfallmedizin verwendet wird, dass das ein sicheres Medikament ist. Unsere ältesten Patienten, die Psychotherapie mit Ketamin hatten, waren Mitte, Ende 80 – haben echt profitiert. Bei den Psychedelika ist es so, dass die Studien zum Thema Toxikologie und Verträglichkeit selten über das Alter von 65, 70 hinausgehen. Da ist dann ein bisschen so wo man sagt, da würde man die älteren Patienten nicht einschließen, obwohl es auch nicht in Stein gemeißelt ist. Generell ist es so, bei S-Ketamin, dass man da aufpassen muss, dass es kein lupenreines Medikament ist. Es ist eine sogenannte Dirty Drug. Das heißt, es geht auf mehrere Rezeptorschienen. Das eine ist die Wirkung am NMDA-Rezeptor. Das ist die Hauptwirkkomponente. Es gibt aber auch eine Opioid-Wirkkomponente. Es gibt eine Noradrenalin-Reuptake-Hemmung. Das heißt, der Noradrenalinspiegel im Blut steigt. Dadurch kommt es einerseits zu einem erhöhten Blutdruck. Es kann aber auch zu Schwankungen in der Herzfrequenz kommen. Tendenziell eher absacken, aber auch mal ansteigen. Das muss man wissen. Alles, was mit stark erhöhtem Drücken zu tun hat, sei es Blutdruck, Augeninnendruck, Schädelinnendruck, ist dann ein Ausschluss für Ketamin. Bei serotonergen Psychedelika ist es nicht ganz so strikt, weil der Anstieg nicht ganz so stark ist. Aber auch da muss man eben aufpassen. Aber jemand, der Herzkreislauf gesund ist und eine Leber und eine Niere hat, die verstoffwechseln können, kann normalerweise mit diesen Substanzen in diesen Dosierungen und in den seltenen Gaben in der seltenen Frequenz umgehen. Das wäre die grobe Beschreibung von den Kontraindikationen. Und wie gesagt also es ist keine Erste-Wahl-Behandlung.
Man sollte nicht so eine Behandlung machen, weil man denkt, das ist der Shortcut. Ich habe gehört, das ist cool. Wir machen das bei einem Retreat in Holland und stecken uns ein paar Federn in die Haare. Man sollte schon das Ganze ernst nehmen. Es sollte begleitet sein. Man sollte auch schon mal andere Therapien ausprobiert haben.
Wir nehmen auch keine Patienten, die noch keine Psychotherapie gemacht haben. Wir sagen, Psychotherapie 1x1 können wir der kurzen Zeit nicht vermitteln. Die Leute müssen ein Grundgefühl haben für ihre Themen, ein Grundverständnis ihrer Problematik und auch ein Grundverständnis dessen, was psychotherapeutisches Arbeiten erreichen kann.
Dann arbeiten wir gerne weiter. Das ist glaube ich etwas, was wirklich wichtig ist.
Madeleine: Okay. Jetzt hattest du vorhin in der Forschung schon mal angesprochen, dass man auch fragt, ob man Suchterkrankungen behandeln kann mit Psychedelika.
Macht ihr das aktuell, Ketamin und vielleicht auch in euren Studien Psilocybin zu verwenden, wenn jemand eine Abhängigkeitserkrankung hat oder hatte?
Andrea: Wir schließen aktuelle Substanzgebrauchsstörungen aus. Wir wollen auf keinen Fall, dass ein Patient von einem weißen Puder wie Kokain auf einen weißen Puder wie Ketamin umsteigt. Auch weil es so zugänglich ist auf dem Schwarzmarkt.
Es gibt spannende Studien zum Thema Alkohol und Ketamin von einer britischen Firma. Es gibt super spannende Daten zum Thema Opiatabhängigkeit und Ketamin aus Russland. Spannenderweise sind die ältesten Forschungen dazu aus St. Petersburg. Das ist Evgenij Krupinski, der schon vor 20, 25 Jahren Daten veröffentlicht zum Thema Opiatabhängigkeitsbehandlung mit Ketamin. Er war zwischenzeitlich auch mal im Knast, weil Russland eines der wenigen Länder ist, wo die therapeutische Anwendung von Ketamin verboten ist. Aber da gibt es Pionierarbeit. Und was das Psilocybin angeht, gibt es sehr schöne Daten zum Thema Alkohol, zum Thema Zigarettenentwöhnung. Als ich das mal erzählt habe, in einem Kollegenkreis sagte jemand, „aber ist das nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen“? Wenn man jetzt Raucher mit Psilocybin behandelt, wenn man sich aber anguckt, wie viele Zigtausende Menschen jedes Jahr an den Folgen von Nikotinkonsum rauchen und sterben, weiß ich nicht, was die Kanone ist und was der Spatz ist. Es ist wirklich ein relevanter sozialer Faktor. Dann gibt es noch Spezialfälle, wie zum Beispiel das Ibogain. Das ist eine Wurzel aus einem Strauch aus Afrika. Da hat sich gezeigt, dass das eine ganz starke Wirkung hat bei Opiatpatienten auch, weil sie zum Teil wirklich kein Craving mehr haben. Das ist nicht ganz harmlos. Das kann kardial sehr stark angreifen. Einer von 100 Patienten, der nicht vorgetestet worden ist, kann da auch in starke Herz-Rhythmusstörungen kommen.
Madeleine: Ja, total spannend. Du sagst schon richtig, mit Kanonen und Spatzen. Man muss sich überlegen, was ist auf der Haben-Seite und was nicht. Es deckt sich mit meinen Gedanken, dass es auch nicht verharmlost werden sollte. Eine Gefahr, die ich dann doch sehe, ist, dass es medial viel aufgeputscht wird, Ketamin-Therapien und Psychedelika. Selbst wenn das mal zugelassen wird, wird das sicherlich eine Therapie sein, die nur spezielle Kliniken oder nicht breit verfügbar ist, wo jeder sofort einen Termin dafür kriegt.
Und der Weg zum Selbstversuch zur Selbsttherapie ist relativ leicht.
Andrea: Das ist mit Sicherheit so, aber eben auch dadurch, dass es keine Therapieangebote gibt.
Madeleine: Das ist auf jeden Fall das Problem ja.
Andrea: Patienten werden ja auch rausgedrückt. Wenn man z.B. nach Holland guckt, wo es ja diese legalen Pills-for-Treats gibt. Das sind ja diese Trüffelknollen. Das ist ja quasi das, was im Boden wächst, wo die Fruchtkörper der Pilze nicht dran sind. Es ist legal, das zu verwenden. Die haben aber eigentlich die Auflage, das nicht innerhalb von Therapien zu machen. Das heißt, wenn jemand kommt und sagt, ich mache das, weil ich depressiv bin, müssen sie eigentlich sagen, das geht nicht, du musst nach Hause gehen. Aber das wissen natürlich die Menschen, die kommen und verraten es nicht. Die Menschen, die den Workshop halten, wissen es auch und fragen nicht so genau.
Da gibt es auch wirklich gute Anbieter und weniger gute. Aber es wäre doch total toll, wenn man die Patienten nicht in einen Grauzonenbereich drücken würde, außerhalb des eigenen Landes, wo keine Versicherung da ist. Was ist denn, wenn mal was passiert? Wer zahlt dann die Konsequenzen? Das finde ich ganz spannend und schwierig.
Das Ziel ist überhaupt nicht, dass man jetzt in jeder Physiotherapie-Praxis diese Therapie machen kann. Darum geht es gar nicht. Aber dass Einrichtungen, die sich spezialisieren, die sich interessieren, die sich weiterbilden, die sich eine Supervision suchen, die sich bestimmte ethische Regeln geben, dass die quasi da sein dürfen und sicher, legal und zugänglich diese Therapien anbieten, das wäre wirklich toll.
Madeleine: Da stimme ich dir total zu. Kannst du uns vielleicht zum Abschluss unserer Podcast-Aufnahme noch ein oder zwei Patientengeschichten teilen, wo du sagst, die sind dir am Kopf geblieben. Genau deshalb forschen wir daran. Genau aus dem Grund sollte es das als legale, zugängliche Therapie geben.
Andrea: Da würde ich von zwei Patienten erzählen wollen. Einen aus der Studie für Psilocybin und einen aus der Praxis mit Ketamin.
Das darf ich Gott sei Dank auch, weil ich es von beiden Patienten freigegeben bekommen habe. Das ist ja immer so eine Sache mit Fallberichten, wie stark man es verfremden muss. Das eine war ein Patient, der sehr ausgeprägt depressiv war, der in Studie zu uns gekommen ist und für den eine ganz, ganz traumatische Lebenserfahrung war, dass er eine behinderte Tochter hatte, die dann im Alter von um die zehn Jahre verstorben ist.
Er hat das quasi überhaupt nicht tragen können. Dieser Tod dieser vorher schon schwer kranken Tochter - und ist dann sehr verzweifelt, sehr depressiv, arbeitsunfähig. Dieser Patient hat dann im Rahmen der Psilocybin-Studie einmal eine geringere und einmal eine hohlere Psilocybin bekommen, von beiden sehr profitiert und hat dann sehr, sehr starke Erfahrungen gehabt von sich selber begegnen, dem Kosmos begegnen, in Verbindung sein mit dem Großen und Ganzen und hat das quasi genutzt, um diesen Schmerz oder den Versuch seiner Tochter zu heilen für sich und kam letztendlich raus, eine Woche später, zur zweiten Absprechung und sagte, die Depression ist weg. Und die ist seitdem auch nicht wiedergekommen. Also dem Herrn geht es wirklich gut, der hat extrem profitiert und für den war das ein Wahnsinnsdurchbruch, das was wirklich über Jahre, fast Jahrzehnte vorher nicht machbar war. Das fand ich sehr, sehr berührend, aber auch fast ein bisschen erschreckend, so ein Wahnsinn, wie kann das sein? Davon hatten wir so ein paar eine Studie in Mannheim und auch in Berlin.
Das andere ist eine Patientin, die ich hier mit ketaminorientierter Therapie behandelt habe, in der Praxis im letzten halben, dreiviertel Jahr. Das ist eine Dame mit einer Depression und einer Angststörung generalisiert, aber auch zum Teil Panikattacken, ein bisschen Agoraphobie. Und bei ihr war so eine ganz tiefe, elementare Vertrauensstörung da. Sie hat einfach in ihrer Ausgangs-, Ursprungsfamilie nie wirklich eine bedingungslose Zuwendung erlebt. Es war alles sehr eng, sehr hart, sie musste sich ganz stark an Regeln halten, es war sehr wenig Raum für ihre Bedürfnisse und Gefühle. Wenn sie Bedürfnisse und Gefühle geäußert hat, hat ihre Mutter ihr quasi schon als junges Kind vorgeworfen, sie manipulieren zu wollen. Sie hat dann immer gehört, Manipulation heißt, ich bin böse, ich bin schlecht, das ist ein ganz negatives Selbstbild. Sie hat immer versucht, es allen recht zu machen und hatte so eine ganz tiefe Haltlosigkeit in sich selber. Die war einfach ungehalten, im besten Sinne des Wortes, weil das ganz basale Gehaltenwerden ihrer Ursprungsfamilie nicht geklappt hatte. Die hat im Rahmen von mehreren Ketamin-Erfahrungen, von denen sie einfach wahnsinnige Angst hatte, das Loslassen, die Kontrolle abgeben, in Kontakt gehen, letztendlich Erfahrungen gemacht, die fast schon ein bisschen stereotyp sind.
Eine war zum Beispiel, dass sie das Gefühl hatte, sie ist in einer Höhle im Fels, das ist mit warmer Flüssigkeit gefüllt, so eine intrauterine Situation, und plötzlich wird die Wand weggesprengt und sie wird rausgeschwemmt mit dem Wasser und bleibt ungeschützt an einem Strand liegen. Sie hat dann ihre eigene Stimme als Erwachsene gehört, weil sie das Gefühl gesagt hat, so und so, steh auf, du kannst das. Das war quasi genau das, was sie sich die ganze Zeit vorher nicht sagen konnte. Dieses Gefühl, in die Welt geworfen zu sein, ohne zu wissen wohin und ohne abgeholt worden zu sein, hat ihr quasi das unmöglich gemacht, ihr Leben zu leben, obwohl die im Beruf war, Kinder hatte usw. Die arbeitet jetzt im Anschluss primär traumatherapeutisch, gerade wohnortnah weiter, weil klar, erst wirklich so klar geworden ist, als wie traumatisch sie ihre Kindheit verarbeitet hat, als sie da eben dran war. Ich würde sagen, das ist letztendlich eine PTBS, die da zentral in der Angst und in der Depression steht.
Und gerade so Konglomerate, so Gemische von Symptomatiken, die ganz tief in die Biografie gehen, die kann man oft sehr gut erreichen.
Madeleine: Total spannend, ich hänge total an deinen Lippen gerade. Ich wünsche mir, dass wir einfach noch einen Podcast aufnehmen könnten, nur mit Patient:innen-Geschichten.
Magst du noch einmal zum Ende zusammenfassen? Was ist deine Utopie für die Medizin? Wir träumen ja hier ein bisschen, und man darf auch am Ende noch einmal ein bisschen träumen.
Zukunftsvision Psychotherapie: Psychedelische Optionen als Chance
Andrea: Meine Vision wäre, dass wir an einen Punkt kommen, wo für die Menschen, die das gerne möchten, Psychedelika unterstützte Psychotherapien eine genauso selbstverständliche Wahl sind wie Verhaltenstherapie oder wie ein Antidepressivum. Und dass Menschen einfach die Chance bekommen, die therapeutischen Werkzeuge für sich in Anspruch zu nehmen, und das Ganze legal, sicher und gut abgepuffert durch kundige Therapeut:innen und Ärzt:innen, dass Menschen ihre Erfahrungsräume nutzen können für inneres Wachstum und Heilung.
Eure Podcast heißt Heilewelt. Heilung ist immer so ein ganz schwieriger Begriff, finde ich. Aber heiler werden, gesünder werden, ist ja keine reine Frage von Symptomkontrolle.
Da geht es nicht nur darum, dass etwas weniger wehtut, sondern dass man wieder einen Mehrwert im Leben erlebt, dass man sich selber verstehen lernt, sich vielleicht auch selber mögen lernt und von daraus ganz neu in die Welt hineingehen kann. Das ist, glaube ich, das, was diese Therapien ermöglichen können. Nicht für jeden, aber für einige Menschen.
Ich würde mir wünschen, dass das einfach eine Wahl wird, die Menschen für sich treffen dürfen in unserer Umgebung.
Madeleine: Das ist so richtig schön gesagt zum Abschluss. Vielen, vielen lieben Dank.
Ich hatte total viel Spaß bei der Aufnahme heute. Ich habe viele, viele Fragen, auch noch darüber hinausgehend. Aber für heute erst mal vielen lieben Dank.
Andrea: Einen schönen Abend hier. Dankeschön.
(Outromusik läuft ein und wird langsam lauter)
Madeleine: Das war Heilewelt, der Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin.
Lieben Dank an Euch fürs Zuhören. Wenn wir Euch heute ein bisschen inspirieren konnten, freuen wir uns über Eure finanzielle Unterstützung auf unserer Website oder über eine Bewertung auf Eurer Lieblings-Podcast-Plattform. Abonniert auch gerne unseren Newsletter oder folgt uns auf Instagram, wenn Ihr keine Folge mehr verpassen wollt.
In diesem Sinne, bleibt gesund, neugierig und optimistisch. Bis ganz bald.