Was sagt der Umgang mit Endometriose über uns als Gesellschaft aus Sylvia Mechsner und Maren Rothkegel?

Jahrelange Schmerzen, späte Diagnosen und wenig Forschung – Endometriose betrifft Millionen Frauen, bleibt aber oft unsichtbar. Im Podcast „heilewelt“ spricht Dr. Pia Schüler mit Prof. Sylvia Mechsner über medizinische Fortschritte und mit Ärztin Maren Rothkegel über ihre eigene Erfahrung und den Einsatz für mehr Sichtbarkeit von Endometriose. Gemeinsam beleuchten sie, warum Aufklärung und Anerkennung der Erkrankung längst überfällig sind.

Pia: Hi, willkommen zu einer neuen Folge von Heilewelt, dem Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Ich bin Pia, Ärztin, und ich spreche hier mit den Menschen, die die Medizin nicht nur verbessern möchten, sondern es bereits tun. In unseren Gesprächen tauchen wir in die Welt medizinischer Vorreiter:innen ein und hören, für welche Visionen sie brennen.

Stellt euch zum Beispiel eine Welt vor, in der Menschen mit starken Regelschmerzen nicht jahrelang hören, dass ihre Schmerzen normal seien, dass das keine Erkrankung sei und sie dann Jahre später mit den Folgen dieser undiagnostizierten Erkrankung leben müssen, sondern ernst genommen werden, gründlich untersucht und suffizient therapiert werden. Eine Welt, in der eine der häufigsten gynäkologischen Erkrankungen nicht länger ein medizinischer blinder Fleck ist und es nicht von Zufall oder deinem eigenen Engagement abhängig ist, ob sie erkannt und therapiert wird. An genau dieser Vision arbeitet Prof. Dr. Sylvia Mechsner.

Sie ist Oberärztin in der Gynäkologie der Charité Berlin, wo sie das Endometriose-Zentrum leitet und als eine der führenden Expert:innen die Grundlagenforschung zur Endometriose deutlich vorantreibt. Sie ist außerdem die laute Stimme für die Verbesserung der Situation von Endometriose-Patient:innen in Deutschland und hat bereits mehrere Bücher geschrieben, um die Erkrankung auch für Laien in ihrer ganzen Tragweite greifbar zu machen. Um euch die Erkrankung aber auch aus der Perspektive einer Betroffenen näher zu bringen, habe ich anschließend auch mit Maren Rotkegel gesprochen.

Maren ist selbst Ärztin und hat einen Science Slam über Endometriose auf die Beine gestellt, was so cool war, dass es am Ende als Musikvideo produziert wurde. Mit ihr war es sehr spannend darüber zu reden, was sie aus dem langen nicht-ernst-genommen-werden für sich als Ärztin mitgenommen hat, woran sie festmacht, dass die Erkrankung anders therapiert werden würde, wenn sie eine reine Männerkrankheit wäre und wie sie genau diesen Poetry Slam aufgenommen hat. Ich habe mich riesig gefreut, mit beiden darüber zu sprechen und so zwei unterschiedliche Perspektiven darüber zu haben.

Los geht's mit der Expertin Professor Silvia Mechsner. Viel Spaß!

 

Hallo Frau Professor Mechsner, schön, dass Sie heute da sind. Ich freue mich sehr, dass es geklappt hat. Wie geht's Ihnen? Wo kommen Sie gerade her? Wie lief der Tag? Nehmen Sie uns einmal mit.

 

Prof. Mechsner: Ja, hallo. Auch erstmal. Ja, ich habe montags meinen Home-Office-Tag, ich liebe diesen Tag, aber ich hetze dann quasi von einem virtuellen Meeting zum nächsten und nun bin ich bei Ihnen.

 

Pia: Das kann ich mir gut vorstellen. Wir sprechen eigentlich in unserem Podcast-Format normalerweise nicht über einzelne Erkrankungen und heute aber schon und trotzdem passt das Thema unglaublich gut in unseren Podcast, weil es so viele Dinge beinhaltet, die eben mit diesem Krankheitsbild mitschwingen. Endometriose hat eben eine sehr große gesellschaftliche Tragweite, wozu wir sicherlich gleich auch noch kommen werden. Damit wir aber trotzdem erstmal alle mitnehmen können, Basics setzen und Mythen aus dem Weg räumen, können Sie uns einmal erklären, was Endometriose eigentlich ist?

 

Prof. Mechsner: Na, unter Endometriose verstehen wir das Vorkommen von Gebärmutterschleimhaut-ähnlichem Gewebe, eigentlich beinhaltet es alle Gewebe der Gebärmutter sogar - außerhalb der Gebärmutterhöhle. Also die Gebärmutterhöhle ist ja von Schleimhaut ausgekleidet und wenn das jetzt woanders sitzt, dann sprechen wir außerhalb der Gebärmutterhöhle im Becken von Endometriose und innerhalb der Gebärmutterwand von Adenomyose. Für mich gehören beide Krankheitsformen zusammen bzw. glaube ich persönlich, dass die Erkrankung ihren Ursprung in der Gebärmutter nimmt und die Gebärmutter fast immer betroffen ist. Das spiegelt sich ja auch darin wider, dass die aller-, allermeisten symptomatisch sind mit Regelschmerzen, einer primären Dysmenorrhoe, die auch relativ bald anfängt, sobald der Zyklus auch regelmäßig dann kommt und regelmäßig Eisprünge stattfinden.

 

Pia: Ja, können Sie uns einmal mitnehmen und das Bild einer klassischen Patientin, die eine Endometriose hat, für uns zeichnen? Was sind das für Symptome? Wie kann man sich das vorstellen?

 

Diagnostik Endometriose –die 4 D’s und konkrete Verbesserungen im Prozess

 

Prof. Mechsner: Da muss man tatsächlich sich das auch so ein bisschen zeitlich vorstellen. Im Moment haben wir das Problem, dass wir nach wie vor eine sehr lange Diagnoseverzögerung haben, also acht bis zehn Jahre, auch in Deutschland, trotz Endometriosezentren und wenn dann jemand kommt nach so einer langen Zeit der Beschwerden, dann muss man tatsächlich - mein Tipp ist da immer auch wirklich historisch, chronologisch das aufzuarbeiten - weil das Beschwerdebild zu dem Zeitpunkt auch relativ diffus sein kann, was ja dann auch die Diagnose so schwierig macht, wenn man jemanden neu kennenlernt und dann innerhalb von ein paar Minuten sagen soll, ob die nun Endometriose hat. Aber wenn man sich das historisch oder zeitlich so ein bisschen aufsplittet, dann fragen wir immer nach Regelschmerzen und wann die angefangen haben und das bejahen die allermeisten, also schwere Regelschmerzen.

Nun ist da das Problem herauszubekommen, was sind nun noch normale Regelschmerzen, was sind pathologische Regelschmerzen? Da kann ich vielleicht nachher auch nochmal darüber reden. Aber erst mal ist eins der Kardinalsymptome schwere Regelschmerzen, häufig auch assoziiert mit zyklischen Unterbauchschmerzen. Das heißt, die Schmerzen beginnen schon Tage vorher: Schmerzen beim Wasserlassen, Stuhlgang, Geschlechtsverkehr. Das sind ja die klassischen vier Ds, die wir abfragen müssen und wo ja auch jeder theoretisch sofort an Endometriose denken soll, wenn er gynäkologisch ausgebildet ist. Trotzdem gibt es eben noch so unspezifische Beschwerden, was auch wichtig ist, ist wegen der Adenomyose auch zu fragen nach sehr starken Blutungen, also Hypermenorrhoe sehr häufig, unspezifische Darmsymptome, Blähbauch, Endobelly.

Aber je nachdem, wie fortgeschritten die chronifizierte Schmerzsituation ist, auch tatsächlich Blasen- und Darmentleerungsstörungen, die auch nicht unbedingt nur zyklisch sein müssen, chronische Beckenschmerzen, also azyklische Schmerzen, Rückenschmerzen, Erschöpfung und je chronifizierter und langdauernder so eine Schmerzsituation ist auch durchaus Depressionen, Angststörungen, soziale Isolierung und Stress sozusagen.

 

Pia: Ja, jetzt hatten Sie schon angesprochen, dass häufig die Diagnose ziemlich spät gestellt wird. Wie diagnostiziert man Endometriose?

 

Prof. Mechsner: Ja, das scheint vielen ein großes Problem zu sein, denn früher hat man immer gesagt, Endometriose kann man nur durch eine Bauchspiegelung diagnostizieren, was so gesehen völlig verkehrt ist. Man kann sie natürlich nur durch eine Bauchspiegelung histologisch sichern. Und das ist ja ein großer Unterschied, dass man ja das eigentlich auch nicht immer histologisch sichern muss. Es ist eine gutartige Erkrankung. Myome müssen wir auch nicht histologisch sichern, um sie behandeln zu können. Also das ist aber leider dadurch bedingt wirklich ein bisschen in eine falsche Richtung geraten. Aber ich habe das auch so gelernt vor vielen Jahren. Die Anamnese, die gute, differenzierte Anamnese ist wichtig. Ich habe das ja eben schon aufgelistet. Das ist wirklich viel. Das heißt, man muss da jetzt natürlich auch ein bisschen differenzieren, nach was ist noch normal und was ist nicht normal. Denn 70 Prozent aller menstruierenden Menschen haben Regelschmerzen. Aber wir können jetzt nicht für alle deklarieren, die haben jetzt auch Endometriose.

Also da muss man sich Zeit nehmen, herauszufinden, was ist da jetzt wirklich auffällig. Und da arbeiten wir natürlich mit einer visuellen Analogskala. Das heißt, weil Schmerz ist etwas Subjektives, man versucht es etwas zu objektivieren. Und da arbeitet die AGM, die Arbeitsgemeinschaft der Endometriose, hat auch einen Schmerzfragebogen entwickelt, der wirklich kurz ist, wo wir nach der Schmerzstärke fragen. Ab 3 mag man eine Schmerztablette nehmen - das ist so diese visuelle Analogskala von 10. Und bei 10 liegt man brüllend am Boden. Ich sage immer noch dazu, bei einer 8 ungefähr ist Geburtsschmerz einzuordnen. Und da sollen die eben einmal ihre Regelschmerzen einordnen, wobei natürlich auch klar ist, dass das nicht immer gleich sein muss.

Dann ist auch, finde ich, eine wichtige Frage, hat man schon mal eine Pille genommen oder nicht? Und sind die Schmerzen in der Abbruchblutungsphase? Auch das ist interessant, weil bei auffälligen Regelschmerzen schon noch die Pillenabbruchblutung schmerzhaft ist. Und wie reagiert man auf Schmerzmittel? Das macht natürlich einen ganz großen Unterschied, ob man jetzt sagt, man hat 6/7 Schmerzen, nimmt eine Ibo und alles ist fein. Dann soll man das zum Gotteswillen auch tun. Denn das ist ein nächstes Problem, über das man vielleicht auch noch mal reden kann später. Das eine ist ja, dass wir vieles auch mit einer normalen hormonellen Therapie behandeln können. Das wird aber ja auch im Moment oft kritisch gesehen. Und das andere ist aber auch, dass viele Menschen auch denken, sie dürfen oder sollen keine Schmerzmittel nehmen. Und dadurch schaukelt sich das Ganze dann so extrem hoch. Also es ist schon so, dass man gerne ein Schmerzmittel nehmen darf, wenn das im Rahmen ist und im Normalen. Und wenn das gut hilft, ist das auch sehr gut. Also wir fragen, ob das gut hilft. Wie viel Schmerzmittel wird genommen, was wird genommen und hilft das gut? Typisch bei Endometriose ist ja schon, dass man mit 600er dreimal oder viermal am Tag Ibo nicht völlig schmerzfrei ist, sondern bei so einem Wert von 3 bis 4 weiter rumdümpelt, manche sogar 6 weiterhin angeben. Also man das quasi nur so überlebt, trotz Schmerzmedikation. Das ist ein wichtiges Zeichen.

Dann fragen wir nach vegetativer Begleitsymptomatik. Wer gut an Anamnese kann, weiß, dass bei schweren Schmerzzuständen auch Übelkeit und Erbrechen eine Rolle spielen. Genauso wie Durchfall, Kollapsneigung. Also wer jetzt mit seiner Regel regelmäßig kollabiert, das ist nicht normal. Das muss man einfach wissen. Und das darf man auch nicht abtun. Dann fragen wir natürlich nach Wasserlassen und Stuhlgang. Das ist klar, aber wichtig ist dann auch, in dieser ersten Zeit durchaus noch mal zu differenzieren, ob die Schmerzen vor der Blutung beginnen oder mit Schlag der Blutung. Das sind ganz gute Differenzierungsmöglichkeiten, was ist jetzt noch normal und was ist nicht normal.

Der nächste Schritt ist natürlich dann die Untersuchung auch. Man kann ja nirgendwo so viel Pathologie tasten wie bei Endometriose. Also gute klinische Untersuchung ist da das A und O. Wobei die Untersuchung auch schon beim Beckenboden anfängt zu schauen: Sind da myofasziale Triggerpunkte angespannt? Wie ist die Beckenbodenspannung? Ist das schmerzhaft? Kann man dort auch Schmerzen auslösen? Manche sagen einem dann schon gleich, ja, das ist der Schmerz, den ich beim Geschlechtsverkehr habe. Dann kann man immer schon mal sagen, na ja, die gute Nachricht ist, hier können Sie was tun. Und wir haben es besser verstanden. Und dann in die Etage von der Gebärmutter, wie beweglich ist die wirklich? Tastet man die sakrouterinen Ligamente? Ist das frei? Douglas? Rektovaginaluntersuchung. Also da kann man eigentlich sehr, sehr viel tasten. Und dann folgt natürlich der Ultraschall. Und den auch systematisch, dass man wirklich die Blase anschaut, die Blasenwand anschaut, schaut, ob man die abschieben kann von der Gebärmutter, die Gebärmutterwand selber, wie dick ist die Wände asymmetrisch/symmetrisch/verdickt, die Junktionalzone, die sicheren und unsicheren Zeichen der Adenomyose sich wirklich einmal bewusst machen. Eigentlich ist eine Adenomyose eine Blickdiagnose, das muss man sofort, sieht man ja eigentlich sofort. Und dann bewegen wir uns ins hintere Kompartiment, wo man dann auch schön schieben kann, den Douglas schauen kann, ob der frei ist.

 

Pia: Also der Raum hinten Richtung Darm und Becken, ja.

 

Prof. Mechsner: Genau, man kann den ganzen Darm abfahren, wunderbar. Also wenn man das einmal raus hat, dann braucht man auch quasi keine Rektaluntersuchungen mehr so regelmäßig machen, weil das ist wirklich, wirklich schön, das zu machen. Und man kann das alles sehen. Man kann den Darm bis ins Sigma abfahren. Und dann kommen natürlich auch noch die Eierstöcke. Und damit, das reicht eigentlich, um eine Diagnose stellen zu können. Und selbst wenn der Ultraschall negativ ist, ist es ja gut für die Frau, dass sie eben keine schwere Endometriose hat. Damit kann man eben dann durchaus schwere Endometriose ausschließen, sind halt oft so ein bisschen unsichere Zeichen der Adenomyose.

Aber das zusammen mit einer Beschwerdeproblematik reicht für mich zu behandeln. Also es ist ja nicht so, dass wir nur Endometriose behandeln dürfen. Wir können ja auch Regelschmerzen behandeln. Das ist ja auch nicht verboten. Und sollte man ja auch tun, weil wir wissen mittlerweile, Frauen mit Regelschmerzen entwickeln dreifach häufiger auch andere chronische Schmerzsyndrome, weil dieses repetitive Schmerzerleben einfach das Schmerzgedächtnis füttert. Und letztlich ist es auch egal, ob jetzt jemand Endometriose hat oder nur Regelschmerzen. Es gehört beides behandelt.

 

Pia: Ja, ich würde sagen, wir schicken oder packen in die Shownotes auch noch mal ein paar von diesen Dingen, die Sie angesprochen hatten, wie die MUSA-Kriterien. Dass man für die Leute, die da Interesse haben, sich das auch einfach mal anschauen kann, so ein bisschen klarer hat auf jeden Fall. Weil das eigentlich ja relativ einfach klingt, so wie Sie das jetzt beschreiben, wenn man die Zeit und das Wissen so dazu hat.

 

Prof. Mechsner: Aber es dauert, also ja, es dauert. Da haben Sie vollkommen recht.

Also eine Endometrioseanamnese dauert. Der Ultraschall dauert jetzt aber nicht wirklich, wirklich länger.

 

Pia: Genau, da muss man wissen, auf was man guckt. Welche therapeutischen Optionen gibt es denn? Sie haben jetzt schon Schmerztherapie als so das eine angesprochen, Hormone ganz kurz. Vielleicht können Sie uns einen ganz groben Überblick geben, was man denn therapeutisch in der Hand hat für eine Endometriose.

 

Prof. Mechnser: Na klar, wenn es jetzt Organbefunde schon gibt und schwere Symptome, wo irgendwie klar ist, dass man die nicht anders behandeln kann, dann fängt man tatsächlich mit einer hormonellen Therapie an, eine therapeutische Amenorrhoe und First-Line-Therapie sind hier die Gestagenmonopräparate.

 

Pia: Also dass man gar nicht mehr blutet.

 

Prof. Mechsner: Dass man genau, gar nicht mehr blutet. Was auch zugelassen ist für die Behandlung ist ja das Dienogest. Wenn jetzt so eine Situation nicht ganz so klar ist, dann und jemand möchte gerne auf Hormone verzichten, dann sage ich immer, dass es natürlich auch in Ordnung ist, aber dass man dann eine adäquate Schmerztherapie anwenden sollte. D.h. man schaut nach der geringst wirksamen Dosis und die nimmt man dann aber auch bitte regelmäßig. Es ist ja völlig klar, dass die Wirkung nach ein paar Stunden bei den Präparaten nachlässt. Die haben eine gewisse Halbwertzeit. D.h. man kann z.B. mit Buscopan Plus auch starten. Das ist ja mit Paracetamol und Buscopan. Buscopan ist krampflösend, Paracetamol blockiert die Freisetzung von Schmerzmediatoren. Wenn das nicht reicht, dann nimmt man Ibuprofen dazu, weil Ibuprofen und Paracetamol eine gute ergänzende Wirkung haben und steigert dann die Dosis vom Ibuprofen. Dann muss man mal gucken. Maximal 3 mal 800 mg sind da erlaubt. Wenn das dann immer noch nicht reicht und man theoretisch noch mehr dazunehmen muss, wie z.B. Novalgin-Tropfen, das könnte man auch noch, das müssen auch tatsächlich manche Frauen so intensiv betreiben, wenn sie z.B. Kinderwunsch haben und keine Hormontherapie nehmen können in der Situation. Aber für die normalen Menschen, die eben gerade nicht Kinderwunsch haben, sag ich dann immer, da muss man mal für sich schauen, 2 Tage, 3 Tage kann man das sicherlich so machen. Aber wenn man wirklich über 5/6 Tage kommt, an denen man so Schmerzmittel wirklich braucht, dann füttert man damit eben auch sein Schmerzgedächtnis. Auch wenn die Zeichen nicht so eindeutig sind im Ultraschall, ist ja doch das Risiko immer da, dass Endometriose auch voranschreiten kann, gerade bei jungen Menschen. Wir haben jetzt im Moment immer die Situation, dass wir das so spät entdecken, aber an irgendeinem Punkt muss es ja mal losgegangen sein. Und das ist ja verpasst bei so vielen Menschen. D.h. hier bespreche ich dann wirklich auch: überlegen Sie sich, Sie haben ein gewisses Risiko, dass auch noch was kommen kann. Sie möchten in 10 Jahren vielleicht Kinder. Wir müssen ein bisschen überlegen, schützt man sich, schützt man seine Organe durch einen Stopp, durch eine therapeutische Amenorrhoe. Und das Zweite ist eben, denken Sie über die Entwicklung von chronischen Schmerzen nach.

Wenn z.B. auch Menschen Reizdarm haben oder andere Erkrankungen, Colitis Ulcerosa, Rheuma, dann wissen wir auch, dass diese Regelschmerz oder diese Schmerzsensitivierung auch dazu führt, dass andere Schmerzerkrankungen schmerzhafter sind und anders wahrgenommen werden. Das sind Dinge, die versuchen wir zu vermitteln. Das kann man sich ja vorstellen, das ist nämlich dann sehr aufwendig. Es ist fast einfacher, Leuten zu sagen, „Wir müssen jetzt eine OP machen, und dann ist gut“, als dass man das alles erklärt, was der Sinn auch einer hormonellen Therapie hier ist.

 

Pia: Jetzt hatten Sie die OP ja schon angesprochen. Vielleicht können Sie das einmal noch kurz sagen, wieso man das noch macht, bzw. was so ein bisschen vielleicht das Ziel von einer Operation ist.

 

Prof. Mechsner: Genau, also wir empfehlen tatsächlich immer erst mal die konservative Therapie. Was ich da eben aber noch nicht erklärt habe, und was ich aber unbedingt gerne noch ergänzen möchte, bevor ich über Operation spreche, ist, dass wir neben Schmerzmitteln natürlich auch Ernährung ganz wichtig empfinden, also eine anti-entzündliche Ernährung. Die ist auch wichtig für die Darmfunktion, weil viele haben ja auch diesen Endo-Belly, also eine ballaststoffreiche, pflanzenbasierte Ernährung mit wenig Fastfoods, wenig Transfetten und Konservierungsstoffen und so ein Zeug, ist halt ganz, ganz wichtig, auch für ein gesundes Mikrobiom und eine gesunde Darmfunktion, was auch den inflammatorischen Status einfach deutlich reduziert. Und auch für den Beckenboden ganz wichtig, Entspannungsübungen regelmäßig in seinen Alltag zu integrieren, Yin-Yoga, progressive Muskelrelaxation. Da gibt es also ganz viele Studien mittlerweile, die das belegen, wie wichtig das ist, damit eben der Beckenboden nicht verspannt und dadurch nicht sich das eben weiter aufspielt. Das sind ganz wichtige Dinge, die man dann auch implementieren muss. So, zur Operation, wir empfehlen immer erst mal, wenn kein akuter Kinderwunsch besteht, die therapeutische Amenorrhoe. Damit klappt das auch oft sehr gut.

Wenn man aber nicht mehr blutet und trotzdem Schmerzen hat und tatsächlich noch nie eine Operation hatte wegen Endometriose, dann ist das so ein Moment, wo man das überlegen kann, weil dann sehr wahrscheinlich wirklich Bauchfellherde auch sind oder andere Herde. Das ist ganz, ganz sicher, dass das dann ein kritischer Punkt ist. Wir wissen auch, dass diese Herde, Endometriose ist hormonabhängig, östrogenabhängig, dass die Herde aber auch so ein Eigenleben entwickeln können, das dann auch hormonunabhängig durch die Ausschüttung von diversen Wachstumsfaktoren dazu führt, dass Nervenfasern dort hineinwachsen und auch dort eine chronische Entzündung entsteht.

Das nennt sich neurogene Inflammation. Die ist dann eben eine Hormontherapie als solches nicht mehr so wirklich zugänglich. Deswegen ist das ein Moment, wo man operieren kann. Dann stoppen wir die Hormone wieder. Dann ist es aber auch so, dass wir das, was wir sehen, im Bauch auch entfernen und wissen, dass das wahrscheinlich auch mit Schmerzursache ist. Das klappt auch sehr gut. Hier muss man trotzdem auch besprechen, wann ist ein Kinderwunsch? Ist der in weiter Ferne oder ist der in naher Zukunft? So, dass man das so ein bisschen anpasst. Dann kann man natürlich auch noch mal die Eileiterdurchgängigkeit prüfen, Gebärmutterspiegelung mitmachen. Die andere Situation zu operieren ist, wenn jemand nicht schwanger wird schon - und der Verdacht auf Endometriose besteht und das Kinderwunschzentrum das aber auch für eine gute Idee hält, dass man da jetzt operativ abklärt, auch die Eileiterdurchgängigkeit prüft usw. Auch dann werden Endometrioseherde vollständig entfernt. Das sind so die OP-Indikationen, also weiterführende Schmerzen unter einer suffizienten Hormontherapie oder Kinderwunsch. Natürlich, aber das ist ja Gott sei Dank sehr, sehr selten, richtig Organstörungen, Stenosezeichen im Darm, Harnleiter, die verlegt sind. Das sind dann ja sehr komplexe Operationen, die Gott sei Dank ja selten sind. Man sollte meiner Meinung nach jede Endometriose-OP in einem Zentrum durchführen, weil es einfach nicht mehr so ist, dass man das einfach mal kurz operiert, sondern dass man da eine entsprechende Expertise haben sollte.

 

Pia: Jetzt haben wir, glaube ich, einen ganz guten Überblick. Und haben aber, glaube ich, an diesem Zeitpunkt auch verstanden, dass es eine Erkrankung ist, die sehr umfassend ist. Aber auch wirklich schweres Krankheitsbild - zu einem sehr schweren Krankheitsbild führen kann. Trotzdem hört man immer wieder von Betroffenen, „Ich wurde nicht ernst genommen, meine Schmerzen galten als normal, meine Regelschmerzen“. Und wenn Sie sagen, warum dauert es in Deutschland eigentlich immer noch so viele Jahre, bis eine Endometriose gestellt wird? Und was ist das Problematische daran? Was sagt das vielleicht auch aus? Dass wir als Gesellschaft erst mal sagen, das ist normal. Vielleicht auch, dass viele Leute den Satz gehört haben, stell dich nicht so an.

 

Prof. Mechsner: Ja, also das ist schon ein krasses Phänomen. Darüber habe ich selber auch schon viel nachgedacht. Weil ich da eigentlich auch nach wie vor immer fassungslos drüber bin. Ich höre ja auch wirklich ganz krasse Geschichten in unserer Sprechstunde.

 

Pia: Ja.

 

Prof. Mechsner: Als ich an der Leitlinie „der chronische Unterbauchschmerz der Frau“ war, war ich mit eingeladen zu arbeiten. Die ist ja sehr, ich sag mal, psychosomatisch orientiert. Es gibt erstens mal gar keine solche Leitlinie für die Männer. Männer haben immer organische Schmerzen und Frauen haben aber eher so psychosomatische Schmerzen. Dann bin ich tatsächlich hintenüber geflogen, als ich angefangen hatte, da zu lesen. Und gerade über die Pathogenese der Schmerzen zu lesen. Weil da tatsächlich noch die Definition ‚nicht-organisch bedingte Unterbauchschmerzen‘ - psychosomatisch wären ja nicht-organisch-bedingte Unterbauchschmerzen. Die stammte in den Leitlinien noch vor drei Jahren, da haben wir vor drei Jahren dran gearbeitet, aus dem Jahr 1890.

 

Pia: Oh Gott, oh Gott.

 

Prof. Mechsner: Tatsächlich, 1890. Was konnte man 1890 erkennen? Gar nichts, da mussten die Tumoren aus der Nase rauswachsen, damit man akzeptiert hat, dass das was Schlimmes ist. Also in den Leitlinien waren tatsächlich die Endometriose-Schmerzen organisch nur bei Darmendometriose deklariert. Und wenn man sich das vorstellt, 1890, was waren das für Menschen, die dort Ärzte waren? Es waren ausschließlich Männer. Frauen konnten noch gar nicht Medizin studieren. Oder nur ganz vereinzelt. Und das ging ja dann erst 1900 eigentlich so los. Und ein anderer Begriff, der auch... also diese klugen Herren, die haben schon verstanden, dass es irgendwas gibt, was mit der Gebärmutter zu tun hat und auch zyklisch ist. Es ist ein ganz wichtiger Begriff, der auch aus dieser Zeit stammt. Und zwar ‚Hysterie‘.

Hysterie. Von Hysteros, griechisch die Gebärmutterhysterie. Da gibt es richtig Abbildungen, wo der Uterus ins Gehirn wandert und dort andockt und da krasse Sachen macht.

Tatsächlich ist es damals eine psychiatrische Erkrankung gewesen, die auch mit Elektroschocktherapie behandelt wurde.

 

Pia: Ja.

 

Prof. Mechsner: Und ich glaube, dass das einfach sehr krass verankert ist, auch durch diese gesamte Fehlleitung in dem gesamten System. Ja, dass alles abgetan wird und die Geburt muss wehtun. Und es ist völlig normal. Und die Regelblutung eben auch. Und es ist völlig normal. Und da braucht man nicht drüber reden. Es ist wirklich ein Armutszeugnis unserer Zeit, dass es immer noch so ist.

 

Pia: Ja, total, auf jeden Fall. Das lassen wir hier doch jetzt so als Appell mal stehen. Vielen Dank an Sie für Ihre Zeit und den umfassenden Einblick in die Erkrankung. Haben Sie noch etwas, was wir vergessen haben oder was Sie hier hinzufügen möchten?

 

(Outromusik leise im Hintergrund)

 

Prof. Mechsner: Nein, vielen Dank auch. Ich glaube, wir haben ein gutes Bild zeichnen können.

 

Pia: Das denke ich auch, ja. Vielen, vielen Dank Ihnen. Wir haben ja jetzt schon angesprochen, dass das eine Erkrankung ist, die auch deswegen aktuell spät diagnostiziert wird, weil sie gesellschaftlich noch nicht die Aufmerksamkeit bekommen hat, die sie vielleicht verdient, wenn man bedenkt, dass ca. 10% der Personen mit Uterus Endometriose haben. Und Silvia meinte ja gerade schon, dass sie sich selbst fragt bei den teilweise krassen und eindrücklichen Geschichten von ihren Patient:innen, warum immer noch so viele Patient:innen nicht ernst genommen werden und die Diagnose so spät gestellt wird. Da wollen wir jetzt noch tiefer einsteigen. Und dafür habe ich noch Maren Rothkegel eingeladen.

 

Maren ist auch frischgebackene Ärztin und hat selbst Endometriose und hat über das Thema einen Science Slam geschrieben, den die Endometriose-Vereinigung aufgegriffen und professionell als Musikvideo mit ihr produziert hat. Damit ihr eine Vorstellung davon bekommt, so hört sich das Ganze an:

 

(Musik im Hintergrund)

Ich gehe los zum nächsten Arzt. Und ich blute und der sagt, Ah, ja, menstrual, das ist ganz normal. Das ist bei Frauen so, ist keine Krankheit, seien Sie froh.

190 Millionen Menschen weltweit mit dieser Krankheit und mit diesem Leid.

Keine Hilfe und doch keine Diagnose. Im Durchschnitt nach zehn Jahren ist es klar, Endometriose.

Was genau ist hier das Unangenehme? Wo sind noch Schmerzen? Was gibt es für Probleme? Beim Stuhlgang, urinieren und bei Penetration. Manche kotzen, kippen um, Diarrhoe, Obstipation. Auch können manche keine Kinder bekommen. Fühlen sich durch die Fatigue ganz benommen.

Blutungen fehlen, doch lang bluten immer. Irgendwann Wasserlassen und es rennt oder gleich inkontinent.

 

Die Autorin dieses Slams, Maren Rothkegel, habe ich jetzt bei mir. Hi Maren, voll schön, dass du da bist.

 

Maren: Hallo, danke für die Einladung.

 

Marens persönlicher Weg als Betroffene und Ärztin

 

Pia: Ich habe es ja jetzt gerade schon ein bisschen gedroppt, dass du ein Video gemacht hast in Form eines Poetry Slams. Wir haben kurz reingehört, wie genau lief das eigentlich ab? Wie bist du dazu gekommen?

 

Maren: Ja, genau, also ich habe eben an einem Science Slam von meiner Uni teilgenommen. Ein Science Slam ist ja sowas wie ein Poetry Slam, aber eben mit wissenschaftlichen Inhalten. Und es sollen eben wissenschaftliche Inhalte so ein bisschen auf eine andere Art und Weise vermittelt werden. Und es war eben an meiner Uni und da habe ich mitgemacht. Ich habe mitgemacht, weil ich irgendwie manchmal im Studium so die Kreativität mir so ein bisschen fehlt. Und ich finde es aber auch einfach ein insgesamt cooles Format, dass wissenschaftliche Inhalte einfach anders vermittelt werden und vor allem in der Medizin merkt man doch auch oft, dass Patient:innen Krankheiten vielleicht gar nicht richtig verstehen und sie sehr kompliziert erklärt werden. Und ja, genau deswegen finde ich es super wichtig, dass es eben auch solche Plattformen gibt, wo man Dinge eben einfach mal ganz anders darstellt.

Genau, und dann war für mich relativ schnell klar, dass ich das Thema Endometriose machen will. Eben einmal, wie du gesagt hast, schon weil ich es selber habe. Und ja, ich finde, es ist eben eine Krankheit, da geht es nicht nur um eine Krankheit, sondern auch, es kann so viel Gesellschaftspolitisches vermittelt werden damit, genau. Und nach meinem Auftritt kam dann Julia Brumm auf mich zu. Sie ist eine Kostümbildnerin und Creative Director in München. Und die hatte dann die Idee, aus dem Auftritt ein Video zu machen und sozusagen als Awareness-Kampagne. Und genau, so ist das entstanden.

 

Pia: Ja, als ich das das erste Mal gesehen habe, dachte ich so, ah, perfekt, okay, da haben wir jetzt in, keine Ahnung, knapp drei Minuten ziemlich viel schon untergebracht und dafür auch noch sehr unterhaltsam. Also wir verlinken euch das natürlich auf jeden Fall. Ich will jetzt nicht zu viel da vorwegnehmen. Es fallen dann beispielsweise so Begriffe wie Medical Gaslighting oder auch die Gender Gap.

Und da sprechen wir auf jeden Fall heute noch so ein bisschen drüber, weil du jetzt auch gesagt hast, dass es so diese gesellschaftliche Ebene sich ja noch so mit reinschwingt. Vielleicht kannst du auch einmal sagen, was war so dein Weg, wenn wir jetzt aus der Betroffenenperspektive uns das angucken?

 

Maren: Genau, also mein Weg war, also bei mir, ich muss sagen, bei mir ist es jetzt, es gibt ja da ganz viele Abstufungen von Symptomstärken und bei mir war das jetzt nicht so, wie bei manchen anderen, die wirklich jeden Monat irgendwie umkippen oder also wirklich so extreme Beschwerden haben, dass sie ihren Alltag nicht mehr wahrnehmen können. So schlimm war es bei mir jetzt nie. Aber trotzdem hatte ich schon ab dem Jugendalter, oder jungen Erwachsenenalter einfach extreme Periodenschmerzen. Und genau, ganz lange habe ich selber nicht ernst genommen oder dachte halt immer, das ist halt normal, wie es einem halt immer auch irgendwie gesagt wird. Es ist einfach so, dass Frauen bei der Periode Schmerzen haben. Und irgendwann ist es dann aber doch stärker geworden. Und ich musste immer sehr viel Schmerzmittel einnehmen, hatte dann teilweise auch Magen-Darm-Beschwerden währenddessen und habe das dann einfach mal bei meiner damaligen Gynäkologin oder auch bei einem anderen Gynäkologe immer mal wieder angesprochen. Und aber da kam auch nichts anderes. Also es war auch das Gleiche. Das ist so, da kann man nicht so viel machen. Genau.

Und also das Einzige, was eine Ärztin mal zu mir gesagt hat, war, ja, du kannst die Pille nehmen, wenn du willst. Dann werden die Beschwerden vielleicht ein bisschen besser. Hat mir aber nie erklärt, warum die Pille helfen könnte oder auch erklärt, dass da vielleicht eine Krankheit dahinter steht, sondern einfach immer nur so gedroppt, „Ja, du kannst ja die Pille nehmen, dann wird es vielleicht besser“. Und ich war da auch mit einer Frau zusammen und das kam dann überhaupt nicht infrage, weil ich das nicht verstanden habe. Dann dachte ich, okay, wenn ich die Schmerzen unterdrücken will, dann kann ich auch ein Schmerzmittel nehmen.

 

Pia: Mhm.

 

Maren: Genau, und deswegen habe ich es einfach nie so richtig verstanden, warum die Pille überhaupt vielleicht helfen könnte. Beziehungsweise es wurde mir auch nie erklärt. Und dann habe ich noch mal eine Gynäkologin gewechselt und die hat dann ziemlich schnell gesagt, ja, das könnte Endometriose sein, beziehungsweise ich habe mich dann auch selber informiert und genau, hat mich dann an einen Spezialisten überwiesen und dann wurde ich operiert. Und seitdem geht es mir viel, viel, viel besser.

 

Pia: Ja. Als du das bei deinen früheren Ärzt:innen angesprochen hattest, hast du da auch gedroppt, dass du selbst Medizin studierst? Also war das denen da schon klar oder?

 

Maren: Also zu der Zeit, da habe ich noch eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin gemacht oder beziehungsweise auch gearbeitet schon in der Zeit. Und das habe ich da auch gesagt. Aber da hat nichts verändert.

 

Pia: Ja, okay. Und wie schnell würdest du dann oder wie langsam würdest du sagen, war es dann, dass du von - das erste Mal, dass du selber dir vielleicht überlegt hast, dass das nicht ganz normal ist beziehungsweise eine Normalität ist, mit der du gerne nicht weiterleben möchtest beziehungsweise vielleicht was dagegen machen möchtest - bis dann eine adäquate Therapie gefunden wurde?

 

Maren: Also ich würde sagen, schon so an die zehn Jahre.

 

Pia: Ja, das ist ja dann doch ziemlich klassisch, wenn man unsere aktuelle Generation so anguckt. Vielleicht war es früher noch viel länger oder es gibt ja auch manchmal Leute, die es dann irgendwie wirklich erst rausfinden, wenn sie Kinderwunsch haben und nicht schwanger werden können, beispielsweise als Folge davon, dass man so lange so eine chronische Entzündung gehabt hat im Bauchraum.

Kannst du ein paar Sachen sagen, wo du sagen würdest, ah ja, da ist dir dann vielleicht, weil du den Poetry Slam geschrieben hast oder auch, weil du dich selbst damit beschäftigt hast, aufgefallen, okay, das sind eigentlich strukturelle Hürden, an denen es irgendwie so scheitert oder den man vielleicht noch überwinden müsste, dass das eben nicht zehn Jahre dauert, bis Patient:innen da diagnostiziert sind?

 

Maren: Also ich glaube, ehrlich gesagt, ich finde es tatsächlich sehr krass, dass das immer noch so lange dauert. Also vor allem, wenn Personen mit Uterus regelmäßig zum Gynäkologen, zur Gynäkologin gehen, es gibt ja diese vier Ds, die abgefragt werden und in der Anamnese, wenn man einfach nur eine - und klar ist es dann eine sehr ausführliche Anamnese am Ende, aber eigentlich diese vier Ds, das dauert eine Minute. Und das wirklich einfach, das vielleicht auch tatsächlich häufiger, das kann ja auch ein Allgemeinmediziner:in, kann das auch machen, also einfach mal nachfragen, wie ist es denn bei Ihnen bei der Periode, haben Sie da starke Schmerzen? Und dass es wirklich einfach mehr in die normale Anamnese einfließt. Ich glaube, das würde so vieles ändern. Und dann muss man ja auch nicht die weiteren Schritte machen. Dann kann man ja auch überweisen an ein Endometriose-Zentrum oder an Spezialist:innen so. Aber dass das immer noch so ist, dass es einfach nicht gefragt wird, obwohl es so einfach eigentlich geht.

 

Pia: Ja, also was du jetzt gerade gesagt hast, ich meine, ich arbeite selbst in der Gynäkologie und was man da eben schon so ein bisschen raushört, ist beispielsweise die Anamnese, dass man da keine richtige Zeit für hat. Also das höre ich halt auch ganz häufig, dass natürlich, wenn du inklusive Krebsabstrich etc. irgendwie zehn Minuten für eine Patientin hast, dass das den Rahmen sprengt. Oder auch wenn du gerade sagst, okay, mir wurde gesagt, ich kann die Pille nehmen, damit wird es besser, war ja vielleicht auch theoretisch die richtige Therapie, aber du hast nicht so ganz verstanden, weil es dir nicht gesagt wurde, was steckt denn eigentlich dahinter- so, warum soll ich das denn eigentlich nehmen? Dass da die Zeit gefehlt hat für eine gute Aufklärung, um zu verstehen, das ist das Krankheitsbild. Deswegen greifen wir hier ein, das hat keinen Verhütungszweck in dem Sinne, wie wir das anwenden.

 

Maren: Genau, ja.

 

Pia: Und das wäre ja beispielsweise eine Stellschraube, dass halt eine Vergütung dafür her muss, dass Patient:innen mehr Zeit eingeräumt bekommen in den Praxen oder natürlich auch im Krankenhaus.

 

Maren: Ja.

 

Pia: Als auch, dass natürlich die Awareness allgemein für das Krankheitsbild steigt, was wir ja mit dieser Folge auf jeden Fall versuchen wollen.

 

Maren: Ja (lacht). Aber das glaube ich tatsächlich schon auch. Also es ist ja einmal eben das, was du gesagt hast, eben, dass man mehr Zeit bräuchte für die Anamnese. Aber ich glaube, oder was ich auch gemerkt habe, was für mich, glaube ich, das Schlimmste war schon wirklich, das nicht-ernst-genommen-werden. Also klar, die Beschwerden sind schlimm, aber ich konnte die mit Schmerzmitteln irgendwie in den Griff bekommen. Aber dieses nicht-ernst-genommen-werden, das ist wirklich einfach ein Scheißgefühl. Und da ist eben die Awareness so wichtig, dass man eben ernst genommen wird. Und ich glaube, dann könnte man die Anamnese vielleicht eben das auch vergüten, wenn es wirklich ein ernsthaftes Thema wäre. Oder eben schneller überweisen und mehr Kapazitäten in Endometriose-Zentren zum Beispiel haben.

 

Pia: Hast du denn das Gefühl, dass nur deine früheren Gynäkolog:innen dich nicht ernst genommen haben? Oder wir hatten es vorhin mit Sylvia Mechsner auch schon darüber gesprochen, dass sie selber gesagt hat, dass die Patient:innen selbst sich auch schwer tun, Schmerzmittel zu nehmen. Und da hatte ich fast den Eindruck, ob das fast so ein Ding ist, dass man vielleicht sich selber nicht so richtig eingesteht, okay, ich habe gerade ein Problem und ich darf dafür auch eine adäquate Therapie in Form von hochdosierten Schmerzmitteln für ein paar Tage auch wirklich einnehmen. Wie war das bei dir?

 

Maren: Ja, also ich würde sagen, dass ich - also ich habe die Schmerzmittel dann schon auch regelmäßig genommen - weil es irgendwie einfach anders nicht ging. Aber ich glaube eben, und das wäre für mich eben auch oder wäre für mich so anders gewesen in der Zeit, wenn ich gewusst hätte, ich nehme gerade ein Schmerzmittel, weil ich eine Krankheit habe, wäre es für mich, glaube ich, völlig in Ordnung gewesen. Oder ist es für die meisten wahrscheinlich auch in Ordnung, wenn man denkt, man hat ja ‚nur Periodenschmerzen‘ in Anführungszeichen und das ist eigentlich doch gar nicht so schlimm. Man soll sich nicht so anstellen. Dann ist es, glaube ich, schwieriger, zum Schmerzmittel zu greifen. Also es ist natürlich - im Endeffekt, sind Schmerzen, Schmerzen, ob man jetzt eine Krankheit dahinter hat oder nicht. Aber trotzdem ist es für einen einfacher, dann das Schmerzmittel zu nehmen, wenn man weiß, das ist eine Krankheit. So wäre es mir auf jeden Fall gegangen.

 

Pia: Ja, kann ich mir gut vorstellen. Und wie war das, als du die Diagnose bekommen hast? Oder vielleicht auch hast du einen Unterschied gemerkt davor oder danach, wie dein Umfeld damit umgegangen ist? Wenn du zum Beispiel mal, also du hast gesagt, bei dir ist jetzt die Erkrankung nicht so krass ausgeprägt, dass du mit Schmerzmitteln trotzdem nicht alltagsfähig bist. Aber nichtsdestotrotz ist das ja auch eine Einschränkung, die man trotzdem merkt. Hast du da einen Unterschied gemerkt, dass das jetzt anders dann, als du die Diagnose hattest, auch als Erkrankung wirklich wahrgenommen wurde?

 

Maren: Also ich hatte schon das Gefühl, dass ich auch davor in meinem Umfeld eigentlich ernst, also dass es ernst genommen wurde. Aber ja, kann ich jetzt nicht sagen, dass es jetzt bei mir einen großen Unterschied gemacht hat. Aber ich habe das schon von Bekannten gehört, dass es schon dann eben einen Unterschied gemacht hat, dass, wenn man sich zum Beispiel mal zurückgenommen hat, dass dann das sozusagen in Ordnung war, dass man nicht irgendwo mitgegangen ist. Weil gesagt, ich habe halt eine Krankheit und heute ist es wieder schlimmer. Und dass es irgendwie, ja, doch ernster genommen wurde. Bei mir persönlich war das nicht so. Aber ich habe das schon häufiger gehört.

 

Pia: Ja, das höre ich, ich sage mal, aus meiner gynäkologischen Perspektive auf jeden Fall auch. Also dass da natürlich ein ganz anderes Verständnis dafür gibt, dass diese Leute halt mal im Beruf ausfallen, sich mal zurücknehmen müssen und das aber eben nicht machen, weil sie vielleicht, wie man früher irgendwie im Sportunterricht mit einem Lächeln gesagt wurde, ‚sie wieder ihre Tage hat und einfach keine Lust hat, mitzumachen‘, so ungefähr. Sondern das halt wirklich nicht anders geht und diese Leute auch nicht arbeitsfähig sind in dieser Phase. Ja, das Ganze ist ja auch so ein bisschen, also das war jetzt vielleicht als nochmal einen kleinen Kontext, so ein bisschen fällt das ja eben unter den Begriff, den du auch in deinem Video sagst von ‚Medical Gaslighting‘. Also dass man die Absprache des, was da wirklich eigentlich los ist, also dass man den Patient:innen das abspricht, dass das eigentlich wirklich ein Problem ist, dieses nicht ernst genommen werden, dass das eben darunter fällt und eben ein großer Punkt von Endometriose ist. Würdest du sagen, wenn wir uns das jetzt so angeschaut haben, warum das Ganze so ist- also siehst du da auch einen gesellschaftlichen Zusammenhang, dass wir überhaupt an dem Punkt sind, dass wir es nicht ernst nehmen?

Wenn Männer Endometriose hätten: Ein Gedankenexperiment

 

Maren: Ja, auf jeden Fall würde ich sagen, dass das einen gesellschaftlichen Aspekt hat. Also wenn man sich jetzt mal so anschaut, Krankheiten, die vor allem cis-Männer betreffen, sind auf jeden Fall in der Regel besser erforscht und es gibt mehr Forschungen und Awareness dafür, als für eben jetzt Krankheiten, die vor allem Personen mit Uterus betreffen. Und deswegen glaube ich auf jeden Fall, dass es da einen gesellschaftlichen Aspekt gibt. Ja, wir haben das vorhin auch mit Sylvia Mechsner schon ein bisschen gehört, die davon gesprochen hat, dass in Leitlinien, wo es darum geht, chronische Unterbauchschmerzen bei Frauen festzulegen oder da eben eine Handlungsleitlinie festzulegen, dass es da eben sehr viel auf diese psychosomatische Ebene gehoben wurde, dass das einen psychosomatischen Hintergrund hat. Und bei Männern eben, dass gar kein, überhaupt gar nicht Psychosomatik als Wort in den Mund genommen wurde im Kontext zu Bauchschmerzen. Das hat sie eben dann auch schon so als Unterschied dargestellt. Das sehe ich auf jeden Fall auch eindeutig.

Ich weiß nicht, kennst du diese Social-Media-Posts, wo ChatGPT gefragt wurde, was wäre, wenn Männer von der Erkrankung Endometriose nur betroffen wären, also nur Männer? Kannst du dazu vielleicht was sagen? Also du hast es ja schon ein bisschen angespielt, was vielleicht dann besser wäre.

 

Maren: Ja, also ich glaube, ich unterschreibe da, was ChatGPT sagt. Also ich glaube, dass es da auf jeden Fall einen ziemlich großen Unterschied gäbe. Also einmal eben, was ich gerade schon angesprochen hatte mit dem, dass es besser erforscht wäre und immer mehr Forschungsgelder gäbe. Und was ich ja auch so spannend und schlimm eigentlich finde, dass es ja so lange eigentlich Studien nur an weißen cis-Männern durchgeführt wurden und dass Frauen oder Personen mit Uterus gar nicht integriert wurden in Studien. Und dementsprechend auch, was verschiedene Medikamente angeht oder Therapien überhaupt nicht sozusagen wahrgenommen wurden oder an diesen Menschen getestet wurden.

Das heißt, man kann gar nicht genau sagen, ob dieses Medikament jetzt genauso gut zum Beispiel bei Frauen hilft wie bei Männern. Und allein, dass es so was gibt, finde ich einfach unfassbar krass. Da sieht man schon, wie wenig ernst genommen oder wie wenig Teil sozusagen dieser Art von Studie Frauen dann doch oft sind. Und es gibt ja zum Beispiel auch, ich habe eine Studie neulich gelesen, da geht es um Herz-Katheter-Untersuchungen, dass zum Beispiel Männer viel häufiger Herz-Katheter-Untersuchungen bekommen bei typischen Symptomen von einem Herzinfarkt jetzt als Person mit Uterus. Und alleine das, und das führt natürlich, also Herz-Katheter-Untersuchungen macht man, wenn man jetzt so eben Verdacht auf einen Herzinfarkt hat, so zur Therapie. Und da gibt es ja ganz viele verschiedene Studien, die so was aussagen. Und das finde ich schon einfach krass, dass das dann einfach nur ist, weil eben Frauen dann doch häufiger einfach, es denen nicht abgekauft wird, dass sie wirklich Schmerzen haben oder dass es eine andere Ursache hat als jetzt eine organische.

 

Pia: Ja, oder vielleicht die Dringlichkeit nicht einfach so gesehen wird, da Gelder rein zu investieren. Ich habe mal vielleicht so ein paar witzige Dinge von ChatGPT, die ich noch wirklich stark fand, mitgebracht.

Und zwar, “Nike und Adidas would design compression gear with built-in heating elements and male athletes with endo would be celebrated for their resilience in ads like stronger than the pain”, beispielsweise. Fand ich auch ziemlich stark (beide lachen). Oder dass es zum Beispiel ein Endo-Priority-Boarding geben würde mit besonderem Rest-Friendly-Seating, also dass man da einfach sich gut entspannen kann. Oder dass es Heatingpads und Pain-Relief-Kits am Flughafen oder im Flugzeug gibt. Und das sind irgendwie so ein paar Sachen. Natürlich ist das jetzt so ein bisschen ein Witz, was ChatGPT hier so sich ausgedacht hat oder zusammengereimt hat. Aber du hast es ja eben schon gesagt, dass beispielsweise Forschung und damit die abgeleitete Therapie ein großes Ding ist, wo klar finanziell die Wichtigkeit festgelegt werden muss, damit da irgendwie in Zukunft sich relevant was ändert.

 

Maren: Ja, wäre aber cool (lacht)

 

Pia: Ja, voll. Was Chat-, wir können das auch noch mal reinstellen. Das ist eine Liste mit irgendwie echt so gefühlt 15 Dingen, die da vorgeschlagen werden. Wirklich auch sehr unterhaltsam. Ein Punkt, den du auch noch vorhin gesagt hast, mit dem, dass dir gesagt wurde, du sollst doch die Pille nehmen und du gar nicht so richtig verstanden hast, was jetzt die Pille bringen soll so ungefähr oder der Zusammenhang nicht so klar war. Und ich habe das beispielsweise schon auch häufig, dass, wenn wir bei Patient:innen, die aufgrund einer Endometriose im Krankenhaus behandelt werden, wir noch mal extra schreiben müssen, dass bitte die Kosten übernommen werden sollen für beispielsweise eine Gestagenspirale.

Das wird meistens dann auch von der Krankenkasse übernommen. Aber wir müssen es immer extra noch mal ärztlich quasi ausweisen und dokumentieren. Und das sind eben halt auch diese Dinge, da kriegt eine Patientin, die eine OP hatte, nicht deswegen die Spirale, weil das ihr Verhütungsweg ist, sondern das ist halt einfach die Therapieform. Und ich finde auch da irgendwie, dass es natürlich für uns Zeit frisst, aber irgendwie auch die Absurdität so ein bisschen zeigt das Ganze.

 

Maren: Total, ja.

 

Pia: Wer muss sonst diese Medikamente rechtfertigen, die man irgendwie nach einer OP-Patientinnen gibt in irgendwelchen anderen Gesundheitsfeldern?

 

Maren: Ja, echt verrückt.

 

Pia: Hast du denn so einen kulturellen oder gesellschaftlichen Wandel jetzt miterlebt? Vielleicht auch einen Unterschied auf dein Video mitgenommen über die letzten Jahre? Merkst du, da tut sich was? Du hast ja jetzt noch recht frisch das Medizinstudium hinter dir. Merkst du, da ist vielleicht jetzt auch schon ein bisschen was anders, als eben noch als du angefangen hast zu studieren?

 

Gesellschaftlicher Wandel – zwischen Empowerment und Fehlinformation

 

Maren: Ja, also ich nehme schon auf jeden Fall wahr, dass sich da gesellschaftlich was geändert hat und glaube ich auch immer noch tut. Also wenn ich das eben so vergleiche mit früher, als ich jetzt jugendlich war oder auch junge Erwachsene, wo das in meinem Umfeld -aber ich hatte auch in der Medizin so das Gefühl, so viel ich halt eben Einblick hatte, dass es da einfach wirklich wenig beziehungsweise kein Thema war - und da habe ich schon das Gefühl, dass sich das total ändert. Und man sieht ja eben auch, dass es mehr Forschungsgelder gibt. Vielleicht immer noch nicht genug, wie es gebrauchen könnte, aber es gibt auf jeden Fall mehr. Und natürlich auch immer mehr Aufklärung auch auf Social Media, ganz viele Accounts, die viel aufklären und auch eigene Erfahrungen teilen. Also da finde ich auch ganz wichtig, trotzdem auch zu sagen, dass man das mit Vorsicht genießen muss, finde ich, weil es doch auch viele Medfluencer:innen gibt, wo es vielleicht nicht nur um Aufklärung geht, sondern eben auch um vielleicht gewisse Produkte zu verkaufen oder auch die dann erklären, dass man gar keine OP oder keine Hormone braucht, sondern nur Vitamine und irgendwie eine angepasste Ernährung. Und das finde ich dann auch schwierig, aber das ist natürlich immer so. Über Social Media gibt es natürlich ganz viele tolle Aufklärung, aber eben auch Falschinformationen. Aber insgesamt habe ich schon das Gefühl, dass das Thema einfach mehr Teil des gesellschaftlichen Diskurses ist. Und trotzdem macht mir auch so ein bisschen der allgemeine Rechtsruck Sorgen. Also wenn man jetzt zum Beispiel auch in den USA sieht, dass eben Forschungsgelder, die eben genau diese Themen wie Endometriose, also die Themen, die jetzt nicht weiße cis-Männer angeht, eben dann eben auch Forschungsgelder gekürzt werden und eben auch in der Medizin. Also das macht mir schon Sorgen, aber insgesamt würde ich schon sagen, dass es vorangeht.

 

Pia: Ja, das ist auf jeden Fall auch meine Wahrnehmung. Ich glaube, auch früher oder später kommen da auf jeden Fall die neue Generation an Gynäkolog:innen nicht mehr dran vorbei. Und das ist auf jeden Fall auch sehr, sehr gut und richtig so. Und dann bis dahin müssen wir noch mehr Fortbildungen wahrscheinlich machen, um alle gut zu erreichen, die Patient:innen einfach besser aufklären und da mit ins Boot holen. Und Social Media ist da sicher ein großer Teil.

 

Maren: Und ich wollte noch sagen, genau so in meinem Studium haben wir es auf jeden Fall auch genauso wie jede andere Krankheit ganz gleich ausführlich sozusagen - auch gelernt. Das ist schon auch vielleicht, das war früher vielleicht nicht so.

 

Pia: Das war bei mir noch nicht so. Das freut mich natürlich schon mal zu hören.

 

Maren: Ja, eben. Schau mal. Also das ist schon mal ein Unterschied.

 

Pia: Ja, cool. Ja, das ist doch schon mal super. Sehr schön. Ich habe auch gelesen, im Saarland hat ein Antrag Ende März, der da verabschiedet wurde, um die Stigmatisierung von Endometriose zu beenden und die Situation von Betroffenen zu verbessern - das ist natürlich erst mal nur etwas, was man sich so grob vornimmt. Aber da dachte ich so, okay, das ist jetzt auch schon mal hier auf einzelner Landesebene angekommen. In Frankreich gilt Endometriose inzwischen als nationale Gesundheitspriorität. Ich glaube, schon seit ein paar Jahren.

 

Maren: Schon länger, ja. 21 oder auf jeden Fall schon länger.

 

Pia: Ja, genau. Irgendwie sowas. Und da habe ich auch das Gefühl, so langsam stellen sich vielleicht die Weichen, dass es in die richtige Richtung geht. Und deswegen wollten wir auch Endometriose unbedingt als Folge bringen, weil es so wichtig ist. Es betrifft unglaublich viele Patient:innen mit Uterus, aber auf der anderen Seite auch, dass es ein vielleicht positives Beispiel ist dafür, dass es, wenn wir die gesellschaftliche Komponente anerkennen, da auch langsam ein Umdenken hinkriegen können und die Therapie für alle hoffentlich schnell besser machen können. Hast du noch irgendwas, wo du sagst, das war für dich irgendwie voll eindrücklich, das würdest du gerne noch loswerden? Oder das ist jetzt für dich eine Selbstverständlichkeit, weil du dich damit beschäftigt hast, aber war dir vielleicht von Anfang an sonst nicht klar?

 

Maren: Mhm. Also, ich glaube, was ich überhaupt nicht gedacht habe, dass es einfach so, so viele Menschen betreffen. Und ich finde, oft gibt einem das irgendwie auch so eine gewisse Stärke, dass man irgendwie nicht alleine ist und weiß, dass es auch viele andere Menschen gibt, die das haben. Und aber auch doch viele Menschen gibt, die so lange Schmerzen hatten und jetzt doch am Ende einfach eine gute Behandlung bekommen haben. Und das finde ich irgendwie immer schön, auch da so Erfahrungsberichte zu hören und dass es eben oft auch Menschen darum geht, einfach ernst genommen zu werden. Und das finde ich irgendwie so spannend, dass es eben ganz oft, also klar, wenn man Schmerzen hat, hat man Schmerzen und möchte dann dafür eine Behandlung, aber dass es eben um so viel mehr geht. Und das finde ich irgendwie auch so übertragbar auf so viele andere Dinge. Und das ist für mich jetzt als frischgebackene Ärztin auch total wichtig, eben das mitzunehmen, dass es eben nicht nur um das Somatische geht, sondern eben auch um so viel mehr.

Und was ich versuche, immer da mitzunehmen aus dem Ganzen, ist auch, dass es so wichtig ist, und vor allem eben in der Medizin, immer Stereotype und internalisierte Diskriminierung immer wieder zu hinterfragen und immer wieder sich bewusst zu machen. Also dass, wenn jetzt eine Person irgendwie zu mir vielleicht mal in die Notaufnahme kommt und eben starke Schmerzen hat und ich merke, aus irgendeinem Grund bin ich jetzt genervt oder merke, oh, das ist jetzt total anstrengend oder ich kaufe der Person das nicht so ganz ab, warum auch immer - dass jede Person sich dann immer wieder hinterfragt und sagt, okay, warum ist das jetzt so? Dass man eben immer wieder hinterfragt, ist das vielleicht auch wirklich einfach, weil es eine Frau ist? Ist es vielleicht eine Person, die zu einer anderen marginalisierten Gruppe gehört? Und deswegen reagiere ich jetzt so auf die Schmerzsymptomatik, dass man sich einfach immer wieder hinterfragt. Und das finde ich unglaublich wichtig. Und das, glaube ich, fände ich auch so unfassbar wichtig, wenn das noch mehr auch in die Lehre eingeht, dass eben diese Dinge so wichtig am Ende für den Patienten und für die Patientin sind. Und eben nicht nur, dass sie sich ernst genommen fühlen - was unfassbar wichtig ist, aber eben auch am Ende dann vielleicht eine lebenswichtige Therapie eingeleitet wird oder eben auch nicht.

 

Pia: Ja, total. Ich glaube, da füge ich jetzt einfach gar nicht mehr so wahnsinnig viel hinzu. Vielen, vielen Dank für deine Perspektive, deine Einsicht, die du so ein bisschen in deinen Weg gegeben hast und natürlich für das fantastische Video, was ihr hoffentlich jetzt alle anguckt. Es ist wirklich megacool. Vielen, vielen Dank.

 

Maren: Ja, vielen Dank.

 

(Outromusik läuft ein und wird langsam lauter)

 

Pia: Das war Heile Welt, der Podcast über positive Zukunftsvisionen in der Medizin. Vielen Dank euch fürs Zuhören. Wenn wir euch ein bisschen inspirieren konnten, freuen wir uns über eure finanzielle Unterstützung auf unserer Website oder auch eine Bewertung auf eurem Podcast-Plattformen. Abonniert gerne unseren Kanal.

 

(Intromusik im Hintergrund)